Nordwest-Zeitung

„Es ist notwendig, wütend zu sein“

Drangwerk setzt mit „Eine wütende Frau“im Oldenburge­r theater wrede+ wichtiges Zeichen

- Von Tonia Hysky

Kurz vor dem internatio­nalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen (25. November) zeigt das Label Drangwerk mit Elisabeth Pleß und Lisa Sophie Kusz eine Performanc­e zu diesem Thema. Ein Gespräch über Klischees, neues Bewusstsei­n und über das Stück selbst.

Wütende Frauen gelten gern mal als hysterisch – ist Wut ein männliches Privileg? Elisabeth Pleß: Es ist eine These. Der Begriff Wut in Kombinatio­n mit Frau weckt viele Assoziatio­nen, die nicht unbedingt positiv besetzt sind. Da geht es schnell in die Richtung von „das macht doch hässlich; das geht doch nicht“– und da sind wir schon mitten im Thema: Es gibt viele Klischees im Bezug auf das Äußere – und die Reduzierun­g aufs Aussehen. Dabei darf man Wut auch begreifen als positiven Motor und bei Unrecht diese Wut nehmen, um etwas zu ändern.

Wie entkräftet man diese Klischees künstleris­ch? – ohne viel vorwegzune­hmen... Pleß: Wir haben uns viele Gedanken gemacht, wie wir mit den Klischees spielen. Was ziehen wir an, Kleid oder Hose? Dabei springen wir auch zwischen den Rollen hin und her und treiben es auf die Spitze.

Im Rahmen der Vorbereitu­ng zur Performanc­e haben Sie und Lisa Sophie Kusz viel recherchie­rt und sich ausgetausc­ht. Was haben Sie davon mitgenomme­n?

Pleß: Wir haben unglaublic­h viele Fakten und Zahlen aus der Recherche gezogen, die diese Ungleichbe­rechtigung verdeutlic­hen. Wir haben viele Stimmen von Frauen gehört, die ihre Erlebnisse schildern. Fast alle Frauen, mit denen wir geredet haben, erzählten ähnliche Erfahrunge­n. Sei es das Handy auf dem nächtliche­n Heimweg griffberei­t zu haben, den Schlüssel zur Verteidigu­ng vorsorglic­h in die Hand zu nehmen, Übergriffe in unterschie­dlicher Form.

Leicht geht es einem danach nicht.

Mit welcher Intention haben Sie das Bühnenbild gemeinsam entwickelt?

Pleß: Wir wollten ein Bild finden, das den Idealzusta­nd oder die Zukunft zeigt. Ein Weg könnte die Vernetzung sein – dadurch kamen wir auf Bänder, die wir über die Bühne spannen. Die Bänder sind teils miteinande­r verbunden und beweglich. Es entstanden Netze, die manchmal im Weg

sind, durch die man sich durchkämpf­en muss, die stören – aber auch welche, in die man sich reinhängen kann, die stützen und helfen.

Sie wollten eine Theaterspr­ache entwickeln, die „dem Feminismus gerecht wird“– was darf man sich darunter vorstellen?

Pleß: Etwas gänzlich Neues zu entwickeln ist natürlich schwer. Was wir gesucht haben, war eine Form, die uns die Möglichkei­t gibt, unsere

persönlich­e Kraft und Wut auszudrück­en, die uns gleichzeit­ig aber auch Freiheit gibt. Wir wollten einen Gegensatz zu jenen Stücken finden, die festgeklop­ft sind in Ablauf und Bewegungen. Ein Gerüst und Texte gibt es – aber dafür auch Szenen, die improvisie­rt sind. Dann gibt es Momente, wo wir uns etwa mit Blicken absprechen, wie es weitergeht.

Was macht die Komponente Musik in diesem Fall? Pleß: Wir wollten verschiede­ne Ebenen ansprechen und die Musik ist eine davon. Dabei sind Sprache und Musik gleichbere­chtigt. Bei Drangwerk arbeiten wir gern interdiszi­plinär. Und hier zu kombiniere­n, aus anderen Sparten zu lernen – unabhängig von dem Stück – finde ich sehr spannend.

Der Blick aufs große Ganze: Wo stehen wir in Sachen Gleichbere­chtigung? Pleß: Oh – da gibt es noch viel, viel zu tun. Einerseits werden Stimmen lauter – durch #MeToo, durch #KeineMehr, durch soziale Netzwerke. Es passiert was, es entsteht ein Bewusstsei­n. Das kann man schon sagen.

Anderersei­ts beobachte ich zumindest, dass es sozusagen eine Verhärtung gibt – seitens Menschen die es nicht einsehen, dass es eine Bewegung gibt. Wenn die Stühle der Macht gleich verteilt werden, müssen Männer eben einen Stuhl abgeben – oder zwei. Wir hoffen, mit dem Stück auch zu empowern, Kraft zu geben. Zu zeigen: Wir sind nicht allein. Es ist notwendig, wütend zu sein.

 ?? BILDer (2): Viola Sophie ?? Drangwerk aus Köln zeigt an diesem Mittwoch im Oldenburge­r theater wrede+ die Performanc­e „Eine wütende Frau“. Auf der Bühne stehen Elisabeth Pleß (links) Lisa Sophie Kusz (rechts) und Cellistin Elisabeth Coudoux.
BILDer (2): Viola Sophie Drangwerk aus Köln zeigt an diesem Mittwoch im Oldenburge­r theater wrede+ die Performanc­e „Eine wütende Frau“. Auf der Bühne stehen Elisabeth Pleß (links) Lisa Sophie Kusz (rechts) und Cellistin Elisabeth Coudoux.
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75 Prozent aller Entschuldi­gungen stammen von Frauen – die Performanc­e zeigt auch interessan­te Fakten.

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