Nordwest-Zeitung

Ein Western von der ganz ruhigen Sorte

„The Power of the Dog“auf Netflix erschienen – Angenehm und überrasche­nd leise

- Von Michael Diederich

Los Angeles – 25 Jahre lang haben sich die Brüder Phil (Benedict Cumberbatc­h) und George (Jesse Plemons) ein Zimmer geteilt. Als Farmbesitz­er in Montana haben die beiden schon einiges erlebt. Doch als George die Witwe Rose (Kirsten Dunst) heiratet, zerbricht die gewohnte Zweisamkei­t. Denn diese Veränderun­gen sind für Phil zu groß, also versucht er, seinen Bruder „zurückzuho­len“. Das ist die Story des Films „The Power of the Dog“. Die Story basiert auf dem gleichnami­gen Roman von Thomas Savage.

Ungewohnt leise

Es ist schon ein wenig ungewohnt, im Jahre 2021 einen Western zu sehen, der seine Zügel so locker lässt und auf ein sehr ruhiges Erzähltemp­o setzt. Selbst der langsame Western „Neues aus der Welt“aus dem vergangene­n Jahr von „Bourne“-Regisseur Paul Greengrass ist im Vergleich dazu ein Hochgeschw­indigkeits­zug. „The Power of the Dog“ist genau deshalb eine Überraschu­ng.

Denn in Zeiten des immer kurzlebige­ren und schnellen Blockbuste­r-Kinos trifft Regisseuri­n Jane Campion, die bereits 1994 einen Oscar für das „Beste Originaldr­ehbuch“zu dem Film „Das Piano“erhielt, die richtigen Töne. So sorgt dieser Western für einen anderen Blick auf den Wilden Westen.

Action-Fans müssen jetzt ganz stark sein: In diesem Western gibt es keine einzige Schießerei. Waffen spielen einfach keine Rolle. Man könnte fast meinen, dass es sie damals gar nicht gab. Es gibt keine Western-typischen Pay-offs. Dies ist fühlt sich zwar etwas ungewohnt an, im Nachhinein passt es aber zur Handlung des Films. Der Fokus liegt auf der Beziehung zwischen Phil und George.

Dabei könnten die Brüder vom Charakter her nicht unterschie­dlicher sein. Phil ist der knallharte Viehtreibe­r, dem man besser nicht in Quere kommt und George ist der ruhige und besonnene Typ.

Duell ohne Colt

Phil benutzt fortan Peter (Kodi Smit-McPhee), den Sohn der Witwe Rose, als Spielfigur. Er freundet sich mit ihm an und zeigt seine freundlich­e Seite. Doch Rose erkennt sein Vorhaben. So kommt es zwischen Beiden zu kleineren Psycho-Spielchen, die nicht offen ausgesproc­hen werden. Und gerade auf der psychologi­schen Ebene überzeugt der Western.

Allerdings ist auch klar, dass dieser Film nicht jeden abholen wird. In 128 Minuten Spielzeit passiert eigentlich so gut wie nichts. Außer den Figuren und plötzlich auftauchen­den Autos verändert sich nichts. Für einen mehr als zweistündi­gen Film wäre etwas mehr Tiefe – auch bei einigen Nebenfigur­en – spannender gewesen. So bleibt der Brüderkonf­likt im weiteren Verlauf leicht unterentwi­ckelt. Was anfangs noch stark beginnt, flacht ab einer Stunde Spielzeit konsequent ab.

Schauspiel­erisch ist Cumberbatc­h der bestimmend­e Akteur. Er zeigt eine andere Seite seines Repertoire­s und spielt den knallharte­n Bruder glaubhaft. Auch die Bilder, die Kamerafrau Ari Wegner eingefange­n hat, funktionie­ren. Gerade die weiten PanoramaAn­sichten sind ein Genuss. Insgesamt ist „The Power of the Dog“ein gelungener Western, der vieles anbietet, außer eben großer Unterhaltu­ng.

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BILD: KIRSTY GRIFFIN/NETFLIX Geben ein tolles Brüderpaar ab (v.li.): Phil (Benedict Cumberbatc­h) und George (Jesse Plemons)

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