Ein Western von der ganz ruhigen Sorte
„The Power of the Dog“auf Netflix erschienen – Angenehm und überraschend leise
Los Angeles – 25 Jahre lang haben sich die Brüder Phil (Benedict Cumberbatch) und George (Jesse Plemons) ein Zimmer geteilt. Als Farmbesitzer in Montana haben die beiden schon einiges erlebt. Doch als George die Witwe Rose (Kirsten Dunst) heiratet, zerbricht die gewohnte Zweisamkeit. Denn diese Veränderungen sind für Phil zu groß, also versucht er, seinen Bruder „zurückzuholen“. Das ist die Story des Films „The Power of the Dog“. Die Story basiert auf dem gleichnamigen Roman von Thomas Savage.
Ungewohnt leise
Es ist schon ein wenig ungewohnt, im Jahre 2021 einen Western zu sehen, der seine Zügel so locker lässt und auf ein sehr ruhiges Erzähltempo setzt. Selbst der langsame Western „Neues aus der Welt“aus dem vergangenen Jahr von „Bourne“-Regisseur Paul Greengrass ist im Vergleich dazu ein Hochgeschwindigkeitszug. „The Power of the Dog“ist genau deshalb eine Überraschung.
Denn in Zeiten des immer kurzlebigeren und schnellen Blockbuster-Kinos trifft Regisseurin Jane Campion, die bereits 1994 einen Oscar für das „Beste Originaldrehbuch“zu dem Film „Das Piano“erhielt, die richtigen Töne. So sorgt dieser Western für einen anderen Blick auf den Wilden Westen.
Action-Fans müssen jetzt ganz stark sein: In diesem Western gibt es keine einzige Schießerei. Waffen spielen einfach keine Rolle. Man könnte fast meinen, dass es sie damals gar nicht gab. Es gibt keine Western-typischen Pay-offs. Dies ist fühlt sich zwar etwas ungewohnt an, im Nachhinein passt es aber zur Handlung des Films. Der Fokus liegt auf der Beziehung zwischen Phil und George.
Dabei könnten die Brüder vom Charakter her nicht unterschiedlicher sein. Phil ist der knallharte Viehtreiber, dem man besser nicht in Quere kommt und George ist der ruhige und besonnene Typ.
Duell ohne Colt
Phil benutzt fortan Peter (Kodi Smit-McPhee), den Sohn der Witwe Rose, als Spielfigur. Er freundet sich mit ihm an und zeigt seine freundliche Seite. Doch Rose erkennt sein Vorhaben. So kommt es zwischen Beiden zu kleineren Psycho-Spielchen, die nicht offen ausgesprochen werden. Und gerade auf der psychologischen Ebene überzeugt der Western.
Allerdings ist auch klar, dass dieser Film nicht jeden abholen wird. In 128 Minuten Spielzeit passiert eigentlich so gut wie nichts. Außer den Figuren und plötzlich auftauchenden Autos verändert sich nichts. Für einen mehr als zweistündigen Film wäre etwas mehr Tiefe – auch bei einigen Nebenfiguren – spannender gewesen. So bleibt der Brüderkonflikt im weiteren Verlauf leicht unterentwickelt. Was anfangs noch stark beginnt, flacht ab einer Stunde Spielzeit konsequent ab.
Schauspielerisch ist Cumberbatch der bestimmende Akteur. Er zeigt eine andere Seite seines Repertoires und spielt den knallharten Bruder glaubhaft. Auch die Bilder, die Kamerafrau Ari Wegner eingefangen hat, funktionieren. Gerade die weiten PanoramaAnsichten sind ein Genuss. Insgesamt ist „The Power of the Dog“ein gelungener Western, der vieles anbietet, außer eben großer Unterhaltung.