Verantwortung der Politik
An der allgemeinen gesetzlichen Impfpflicht scheiden sich die Geister – weiterhin. Wer denkt, Wissenschaft und Ethiker würde ihm die Entscheidung abnehmen, wie er sich zu diesem massiven Eingriff in Grundrechte, etwa dem der körperlichen Unversehrtheit, stellen sollte, geht fehl.
Der hoch angesehene, vor allem aber unabhängige Deutsche Ethikrat hat zwar nun mehrheitlich für dieses drakonische Instrument im Kampf gegen die heraufziehende fünfte Corona-Infektionswelle plädiert. Allerdings belegt das Abstimmungsergebnis im Rat die Schwierigkeiten des Themas.
Letztlich geht es immer um die Abwägung zwischen den von Corona ausgehenden Gefährdungen für die Menschen und höchsten rechtlichen und moralischen Werten. Da sind sich die Wissenschaftler eben genau so uneins, wie die Menschen auf der Straße. So sprachen sich denn 13 Mitglieder des Ethikrates für eine Ausweitung der einrichtungsbezogene Impfpflicht auf alle Erwachsenen aus, sieben wollen diese fein dosiert nur auf besonders vulnerable Gruppen begrenzt halten – wie Ältere und Vorerkrankte – und vier sind gegen eine allgemeine Impfpflicht. Wer dieses Votum für die Politik als eine wichtige Richtungsentscheidung bezeichnet, überschätzt den Aussagewert. Noch etwas ist wichtig: Der Ethikrat formuliert flankierende Grundsätze, die bei der Erweiterung der geltenden Impfregeln zu wahren sind. So darf es etwas wie Zwangsimpfungen geben. Und ein Allheilmittel sei die allgemeine Impfpflicht auch nicht. Am Ende muss also die Politik allein entscheiden, welchen Aspekten sie Vorrang gibt. Eines darf es aber nicht geben: Die, die sich mit dieser Frage schwerer tun als andere, zu verunglimpfen. Es gibt ehrsame Argumente für alle Positionen.