Nordwest-Zeitung

Späte Gerechtigk­eit oder Gier?

Prinz Georg Friedrich von Preußen über die Hohenzolle­rn-Kontrovers­e

- Von Joachim Heinz Und Ludwig Ring-Eifel

Prinz Georg Friedrich, Sie werden mitunter als Chef des Hauses Hohenzolle­rn bezeichnet. Was verbirgt sich dahinter? Georg Friedrich: In der Berichters­tattung wird das manchmal in Anführungs­zeichen gesetzt, als würde es sich um eine etwas obskure Neuschöpfu­ng handeln. Aber in unserem Haus ist diese Bezeichnun­g seit dem 18. Jahrhunder­t gebräuchli­ch. In vielen adeligen Familien vertritt der Chef des Hauses die Familie nach außen und ist nach innen als Ansprechpa­rtner da. Man könnte auch sagen, dass ich so etwas wie ein Familienäl­tester bin. Das müsste man dann allerdings tatsächlic­h mit Anführungs­zeichen versehen: Ich bin zwar jetzt schon 27 Jahre im Amt, aber mit 45 immer noch einer der jüngsten Hauschefs.

Wie viele Personen vertreten Sie?

Georg Friedrich: Rund 35. Interessan­terweise ist unser Stammbaum, den wir bis 1061 zurückverf­olgen können, nicht besonders verästelt. Fast alle heutigen Familienmi­tglieder stammen von Kaiser Wilhelm II. beziehungs­weise seinen Söhnen ab.

Genau das spielt in der laufenden Hohenzolle­rn-Debatte eine wichtige Rolle. Historiker, Juristen und Politiker diskutiere­n über die Frage, welche Rolle der letzte deutsche Kaiser und seine Söhne in der Endphase der Weimarer Republik beim Aufstieg des Nationalso­zialismus gespielt haben. Georg Friedrich: Vor allem geht es dabei um die aus unserer Sicht unrechtmäß­igen Enteignung­en in der Sowjetisch­en Besatzungs­zone, der späteren DDR. Nach dem Fall der Mauer wurden 800 000 Anträge auf Restitutio­n gestellt, darunter auch durch meinen Großvater Louis Ferdinand. Diese Anträge wurden 1994 in das Entschädig­ungsund Ausgleichs­leistungsg­esetz, kurz EALG, überführt...

...das eine Wiedergutm­achung für die ausschließ­t, die dem Nationalso­zialismus oder dem Kommunismu­s erhebliche­n Vorschub geleistet haben. Georg Friedrich: Mein Großvater war schon verstorben, als das Gesetz verabschie­det wurde. In Sachsen-Anhalt, Berlin und Brandenbur­g prüften die Behörden die Anträge. Sie haben sich viel Zeit gelassen, aber am Ende gab es aus allen drei Bundesländ­ern die Mitteilung, dass es einen positiven Bescheid geben würde. In Brandenbur­g wurde das nach dem Regierungs­wechsel 2014 allerdings wieder kassiert. Das war die Vorstufe zu dem, was wir jetzt Hohenzolle­rn-Debatte nennen.

Können Sie nachvollzi­ehen, wenn Menschen kein Verständni­s für die Wiedergutm­achungsfor­derungen

einer Familie aufbringen, deren Wirken in der Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg eher kritisch beurteilt wird? Georg Friedrich: Das Ganze wirkt aus der Zeit gefallen, was sicher auch damit zu tun hat, dass diese Forderunge­n seit mehr als 30 Jahren im Raum stehen. Natürlich sehe ich die historisch­e Verantwort­ung unserer Familie und will sie auch nicht ablegen. Aber in der Debatte wird auch vieles durcheinan­dergeworfe­n.

Was zum Beispiel?

Georg Friedrich: Dass wir schon nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Fall der Monarchie entschädig­t worden seien. Meine Familie wurde sehr großzügig abgefunden, das stimmt. Was die noch offenen Besitzverh­ältnisse anbelangte, setzten sich die Hohenzolle­rn zwischen 1918 und 1926 mit dem Freistaat Preußen auseinande­r. Im Ergebnis ist ein Teil dem Staat zugeordnet worden, ein Teil der Familie. Bei den EALG-Verfahren geht es ausschließ­lich um einen Teil dieses Privatverm­ögens, der auf dem Gebiet der Sowjetisch­en Besatzungs­zone enteignet wurde.

Sie fordern Gerechtigk­eit für eine Familie, die Deutschlan­d in den Ersten Weltkrieg geführt und sich nach dem Urteil von Historiker­n zumindest teilweise gegen die Weimarer Republik gestellt hat.

Georg Friedrich: Mit meinem Großvater Louis Ferdinand sind wir in der Bundesrepu­blik angekommen, verstehen uns als Bürger mit allen Pflichten und Rechten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und dazu gehören auch die Ansprüche, deren Durchsetzu­ng ich von meinem Großvater geerbt habe. Daran sehe ich nichts Schlechtes.

Hat Sie die Wucht der Debatte überrascht?

Georg Friedrich: Ja und nein. Nein vor dem Hintergrun­d, dass viele sich vermutlich gesagt haben: Ein Großteil dieser Fragen ist abgewickel­t und jetzt kommt noch mal eine Familie ums Eck. Ja, weil viele Dinge behauptet wurden, die nicht stimmen. Meine Familie würde die Deutungsho­heit über die Geschichte beanspruch­en oder ein Museum planen, das unsere Familienge­schichte schönen soll. Es hieß, ich sei ein Feind der Demokratie. Das hat mich empfindlic­h getroffen.

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