„Tarifgerechter Lohn für alle“
Warum die Awo Korrekturen am Pflegegesetz will
Herr Brunotte, Niedersachsen hat sein Pflegegesetz novelliert. Was ist aus Ihrer Sicht die größte Errungenschaft? Brunotte: Aus meiner Sicht ist das die Koppelung der Investitionskostenförderung des Landes an eine tarifgerechte Entlohnung der Pflegekräfte. (...) Allerdings muss die Verpflichtung unserer Meinung nach noch weiter gehen und nicht nur die Pflegefach- und Pflegehilfskräfte umfassen, sondern alle in Pflegeeinrichtungen Beschäftigten. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die Verbesserungen zulasten der übrigen Berufsgruppen umgesetzt werden. Hier muss also dringend nachgeschärft werden.
Stehen nun etliche Anbieter vor dem Aus, weil sie die Löhne nicht zahlen können? Brunotte: Davon gehen wir nicht aus. Im Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) ist bereits geregelt, dass die tarifgerechte Entlohnung verpflichtend ist für die Zulassung als Pflegeeinrichtung. Alle Pflegedienste, also auch die privaten, müssen ihren Pflegekräften zukünftig eine tarifliche oder tarifgerechte Vergütung zahlen.
Es soll eine Beschwerdestelle eingerichtet werden, damit Missstände schneller aufgedeckt werden. Warum ist das erforderlich?
Brunotte: Aus unserer Sicht ist es immer besser, Probleme und Beschwerden direkt vor Ort zu klären. Allerdings ist es nicht immer leicht, eine Beschwerde vor Ort zu kommunizieren. Es bestehen verschiedene Abhängigkeitsverhältnisse, die dies teilweise erschweren. Daher sind unabhängige Beschwerdestellen erforderlich. Aktuell gibt es schon den Medizinischen Dienst der Krankenkassen und die örtlichen Heimaufsichten, die als unabhängige Ansprechstellen genutzt werden können. Zudem bleiben trotz der bestehenden Beschwerdemöglichkeiten immer noch viele Missstände unentdeckt. Daher begrüßen wir die Beschwerdestelle, um noch bestehende Lücken zu schließen bzw. weitere Angebote zu machen.
Die Förderung der KurzzeitPflege wird erweitert. Geht das zu Lasten der vollstationären Angebote, wenn nun plötzlich Plätze frei gehalten werden? Brunotte: In den vollstationären Einrichtungen wird aktuell auch schon Kurzzeitpflege (KZP) angeboten. Allerdings „eingestreut“, das heißt, es werden dafür nicht explizit Plätze frei gehalten. Kurzzeitpflege ist dadurch nicht wirklich planbar und somit keine echte Entlastung für pflegende Angehörige. Die Freihalteregelung ermöglicht nun tatsächlich eine längere Planbarkeit im Voraus, zum Beispiel wenn pflegende Angehörige eine Auszeit benötigen.
Welche Entlastung wird es für pflegende Angehörige geben? Brunotte: Für pflegende Angehörige ist ein verlässliches Angebot an Kurzzeitpflege ein wichtiger Baustein zur Entlastung. Aus unserer Sicht fehlt jedoch ein Beitrag des Landes bei der Deckelung bzw. Reduzierung der Eigenanteile im vollstationären Bereich. (...) Die im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung geplanten Entlastungen werden nicht ausreichen, um die steigenden Kosten für Pflegebedürftige abzufedern.