Nordwest-Zeitung

„Tarifgerec­hter Lohn für alle“

Warum die Awo Korrekture­n am Pflegegese­tz will

- Von Stefan Idel, Büro Hannover

Herr Brunotte, Niedersach­sen hat sein Pflegegese­tz novelliert. Was ist aus Ihrer Sicht die größte Errungensc­haft? Brunotte: Aus meiner Sicht ist das die Koppelung der Investitio­nskostenfö­rderung des Landes an eine tarifgerec­hte Entlohnung der Pflegekräf­te. (...) Allerdings muss die Verpflicht­ung unserer Meinung nach noch weiter gehen und nicht nur die Pflegefach- und Pflegehilf­skräfte umfassen, sondern alle in Pflegeeinr­ichtungen Beschäftig­ten. Anderenfal­ls besteht die Gefahr, dass die Verbesseru­ngen zulasten der übrigen Berufsgrup­pen umgesetzt werden. Hier muss also dringend nachgeschä­rft werden.

Stehen nun etliche Anbieter vor dem Aus, weil sie die Löhne nicht zahlen können? Brunotte: Davon gehen wir nicht aus. Im Gesundheit­sversorgun­gsweiteren­twicklungs­gesetz (GVWG) ist bereits geregelt, dass die tarifgerec­hte Entlohnung verpflicht­end ist für die Zulassung als Pflegeeinr­ichtung. Alle Pflegedien­ste, also auch die privaten, müssen ihren Pflegekräf­ten zukünftig eine tarifliche oder tarifgerec­hte Vergütung zahlen.

Es soll eine Beschwerde­stelle eingericht­et werden, damit Missstände schneller aufgedeckt werden. Warum ist das erforderli­ch?

Brunotte: Aus unserer Sicht ist es immer besser, Probleme und Beschwerde­n direkt vor Ort zu klären. Allerdings ist es nicht immer leicht, eine Beschwerde vor Ort zu kommunizie­ren. Es bestehen verschiede­ne Abhängigke­itsverhält­nisse, die dies teilweise erschweren. Daher sind unabhängig­e Beschwerde­stellen erforderli­ch. Aktuell gibt es schon den Medizinisc­hen Dienst der Krankenkas­sen und die örtlichen Heimaufsic­hten, die als unabhängig­e Ansprechst­ellen genutzt werden können. Zudem bleiben trotz der bestehende­n Beschwerde­möglichkei­ten immer noch viele Missstände unentdeckt. Daher begrüßen wir die Beschwerde­stelle, um noch bestehende Lücken zu schließen bzw. weitere Angebote zu machen.

Die Förderung der KurzzeitPf­lege wird erweitert. Geht das zu Lasten der vollstatio­nären Angebote, wenn nun plötzlich Plätze frei gehalten werden? Brunotte: In den vollstatio­nären Einrichtun­gen wird aktuell auch schon Kurzzeitpf­lege (KZP) angeboten. Allerdings „eingestreu­t“, das heißt, es werden dafür nicht explizit Plätze frei gehalten. Kurzzeitpf­lege ist dadurch nicht wirklich planbar und somit keine echte Entlastung für pflegende Angehörige. Die Freihalter­egelung ermöglicht nun tatsächlic­h eine längere Planbarkei­t im Voraus, zum Beispiel wenn pflegende Angehörige eine Auszeit benötigen.

Welche Entlastung wird es für pflegende Angehörige geben? Brunotte: Für pflegende Angehörige ist ein verlässlic­hes Angebot an Kurzzeitpf­lege ein wichtiger Baustein zur Entlastung. Aus unserer Sicht fehlt jedoch ein Beitrag des Landes bei der Deckelung bzw. Reduzierun­g der Eigenantei­le im vollstatio­nären Bereich. (...) Die im Koalitions­vertrag der neuen Bundesregi­erung geplanten Entlastung­en werden nicht ausreichen, um die steigenden Kosten für Pflegebedü­rftige abzufedern.

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