Nordwest-Zeitung

Stählerne Schatztruh­e im Braker Hafen

Motoryacht „Argosy“mit wechselvol­ler Geschichte – 1931 in Kiel gebaut

- Von Ulrich Schlüter

Brake – Mit der „Argosy“liegt zurzeit eine Schatztruh­e an Geschichte­n im Braker Binnenhafe­n. Im Jahr 1931 auf der Germania-Werft von Krupp in Kiel für einen US-amerikanis­chen Millionär gebaut, hat die stählerne Motoryacht in den zurücklieg­enden 91 Jahren viel mitgemacht.

■ „Argosy“

Die von der Firma Cox & Stevens sowie Luca Dini Design & Architectu­re entworfene Yacht trug drei Jahre lang den Namen „Argosy“. Mit einer Länge von 71,50 Metern und einer Breite von 9,15 Metern bot sie Platz für zwölf Gäste (sechs Kabinen) und 17 Crew-Mitglieder (neun Kabinen). Sowohl der Eigner als auch der Kapitän bewohnten eigene komfortabl­e Kabinen.

Im Laufe der Jahre erfolgten Umbenennun­gen unter anderem in „Abril“, Patrouille­nboot „USS Cythera PY-31“, in „Vita“und „Ben Hecht“sowie in israelisch­es Kanonenboo­t „INS Maoz K-24“.

In den Jahren 1957 bis 2007 fuhr sie unter dem Namen „Santa Maria Del Mare“als Fähre im Golf von Neapel. Danach wurde das Schiff wieder als Yacht hergericht­et und erhielt den Namen „Rossy One“. Die noch nicht vollständi­g wiederherg­estellte Motoryacht war ab 2020 in einem Konkursver­fahren gelistet.

■ „Vita“

Auch noch nach dem Verkauf des Schiffes an Frankreich im Jahr 1937 trug die Yacht den Namen „Vita“. Im Frühjahr 1939 wurden Koffer mit Wertgegens­tänden geladen, um sie nach Veracruz in Mexiko zu bringen.

Während des Spanischen Bürgerkrie­gs (1936-1939) hatten die Republikan­er in Salzminen die von ihnen konfiszier­ten Vermögensw­erte versteckt und sie dann nach Frankreich gebracht. Zwar kam die Ladung in Mexiko an, doch zu früh. Niemand der Republikan­er war zugegen, um die „Vita“zu empfangen. So wurden der Schatz in die Hauptstadt Mexikos gebracht und das Schiff an die USA verkauft.

■ US-Patrouille­nboot

Die Motoryacht bekam einen neuen Namen. Bis 1944 sicherte sie als militärisc­hes Patrouille­nboot

„USS Cythera PY31“die Küste der Vereinigte­n Staaten. Danach erhielt das Boot den Namen „Abril“.

■ „Ben Hecht“

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzten sich in den USA Aktivisten für einen unabhängig­en jüdischen Staat und die unbehinder­te Einwanderu­ng von jüdischen Displaced Persons nach Palästina ein.

Mit dem Autor Ben Hecht hatten sie das Theaterstü­ck A Flag is Born erfolgreic­h inszeniert. Der Erlös wurde zum Kauf und Umbau der „Abril“genutzt, die im Februar 1947 rund 620 Migranten aufnahm und mit einer amerikanis­chen Besatzung offiziell in Richtung

Bolivien abfuhr. Britische Kriegsschi­ffe stoppten Anfang März das inoffiziel­l „Ben Hecht“genannte Schiff.

Die Migranten wurden in ein Internieru­ngslager nach Zypern gebracht. Sie mussten dort bis zur Unabhängig­keit Israels am 14. Mai 1948 ausharren.

Die amerikanis­chen Besatzungs­mitglieder wurden zunächst verurteilt, dann aber auf Druck der Öffentlich­keit in die USA ausgewiese­n.

■ Kanonenboo­t

Im Palästina-Krieg (1947-1949) wurde das Schiff von der israelisch­en Marine zu einem Kanonenboo­t umgerüstet und mit der Bezeichnun­g „Maoz K24“eingesetzt. Es war an der Versenkung des ägyptische­n Flaggschif­fs „Emir Farouk“beteiligt. Etwa 500 ägyptische Seeleute kamen bei dem Angriff ums Leben.

■ Wieder „Argosy“

Die „Argosy“ist zwar in die Jahre gekommen und bietet äußerlich zwar ein arg ramponiert­es Erscheinun­gsbild im Braker Binnenhafe­n. Doch die wunderschö­ne Linie lässt erahnen, wie prächtig der Dampfer einst über die Ozeane schipperte.

Auf einer Werft in Lemwerder soll die geschichts­trächtige Motoryacht in den kommenden drei Jahren komplett saniert werden.

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BILD: Ulrich Schlüter Die 1931 unter dem Namen „Argosy“in Kiel gebaute Yacht liegt zurzeit im Braker Binnenhafe­n.

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