Die Welt ist nicht genug
Was Astrophysikerin Sibylle Anderl und Künstlerin Nanne Meyer verbindet
Das Horst-Janssen-Museum zeigt ab diesem Sonntag die Ausstellung „Nanne Meyer: überAll“. Die aus Oldenburg stammende Astrophysikerin und Philosophin Dr. Sibylle Anderl (40) sagt im Interview, was sie an dieser Künstlerin so fasziniert, und warum die in den Naturwissenschaften tätigen Frauen viel mehr Selbstbewusstsein zeigen sollten.
Frau Anderl, Sie sind Astrophysikerin, Philosophin und Wissenschaftsjournalistin. Wann wurde Ihre Leidenschaft für Naturwissenschaften geweckt? Anderl: Über mein Oldenburger Elternhaus. Mein Vater ist Künstler, und so gab es für mich schon früh erste Berührungen mit der Kunst. Die Beschäftigung mit diesen Themen hat mich zur Philosophie gebracht. Meine Mutter ist Ärztin und liebt Zahlen, und in der Schule kam ich über die Mathematik zur Physik. Am Ende habe ich mich gefragt, wie man das Ganze vermitteln kann, und so bin ich im Journalismus gelandet. Vieles ist also fließend gewesen.
In den sogenannten MINTFächern machen weibliche Studierende derzeit nur ein Drittel aus. Waren Sie als Physikstudentin eine Exotin? Anderl: Am Anfang meines Studiums lag der Frauenanteil bei etwa zehn Prozent, war also sehr niedrig. Das war eine besondere Rolle, die Frauen im Physikstudium hatten. Und es war durchaus ein Thema, wie Frauen bei den Noten abschnitten. Später war ich Tutorin der Theoretischen Physik und noch mehr Exotin. Das hat mich im Studium immer begleitet, aber dies ändert sich anscheinend langsam.
Gerade in der Corona-Pandemie sieht man im Fernsehen hauptsächlich männliche Wissenschaftler als Experten. Trauen sich Frauen tatsächlich weniger zu – oder wird ihnen weniger zugetraut? Anderl: Ich glaube, es hängt bei der öffentlichen Sichtbarkeit auch damit zusammen, wie man als Frau bereits durch die Erziehung geprägt ist. Viele Frauen stellen ihre eigene Kompetenz schneller infrage, als Männer dies tun. Aufseiten der Medien könnte aber sicher noch stärker darauf geachtet werden, Expertinnen Öffentlichkeit zu verschaffen.
Sie haben an der Uni Bonn im Fach Astronomie/Astrophysik über Stoßwellen im interstellaren Medium promoviert. Geht morgens nach dem Aufstehen Ihr erster Blick zum Himmel? Anderl: An meinem Wohnort Frankfurt ist der Blick in den Himmel nicht so ideal. Aber es stimmt natürlich: Ich verfolge die aktuellen Raumfahrt-Missionen und Forschungsergebnisse sehr intensiv.
Der mediale Erfolg einer Mission hängt stark vom öffentlichen Auftreten der Astronauten ab. Sofort fällt uns AstroAlex ein, der von der ISS aus auf allen Kanälen unterwegs war. Können sich Wissenschaftler noch auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren? Anderl: Die Raumfahrt erlebt gerade eine Renaissance. Der Blick von oben auf die Erde zeigt uns, wie verletzlich und schützenswert unser Planet ist. In der Sensibilisierung und Vermittlung dieses Themas helfen Vorbilder sicher weiter. Das ist auch ein wichtiger Teil ihrer Aufgabe.
An diesem Samstag sprechen Sie zur Ausstellungseröffnung von „Nanne Meyer: überAll – Von Punkthelligkeiten und Turbulenzmustern“im Oldenburger Horst Janssen-Museum. Was verbindet Sie mit der Künstlerin?
Anderl: Ich habe Nanne Meyer vor einiger Zeit bei einer Ausstellung kennengelernt und viele Gemeinsamkeiten entdeckt. Ihre aktuelle Ausstellung kreist um das Universum und die ganz alten und immer wieder neuen Fragen der Menschen zu unserem Platz im Kosmos. Das schafft sie philosophisch, humorvoll und mit einer eigenen Ästhetik.