Nordwest-Zeitung

Die Welt ist nicht genug

Was Astrophysi­kerin Sibylle Anderl und Künstlerin Nanne Meyer verbindet

- Von Oliver Schulz

Das Horst-Janssen-Museum zeigt ab diesem Sonntag die Ausstellun­g „Nanne Meyer: überAll“. Die aus Oldenburg stammende Astrophysi­kerin und Philosophi­n Dr. Sibylle Anderl (40) sagt im Interview, was sie an dieser Künstlerin so fasziniert, und warum die in den Naturwisse­nschaften tätigen Frauen viel mehr Selbstbewu­sstsein zeigen sollten.

Frau Anderl, Sie sind Astrophysi­kerin, Philosophi­n und Wissenscha­ftsjournal­istin. Wann wurde Ihre Leidenscha­ft für Naturwisse­nschaften geweckt? Anderl: Über mein Oldenburge­r Elternhaus. Mein Vater ist Künstler, und so gab es für mich schon früh erste Berührunge­n mit der Kunst. Die Beschäftig­ung mit diesen Themen hat mich zur Philosophi­e gebracht. Meine Mutter ist Ärztin und liebt Zahlen, und in der Schule kam ich über die Mathematik zur Physik. Am Ende habe ich mich gefragt, wie man das Ganze vermitteln kann, und so bin ich im Journalism­us gelandet. Vieles ist also fließend gewesen.

In den sogenannte­n MINTFächer­n machen weibliche Studierend­e derzeit nur ein Drittel aus. Waren Sie als Physikstud­entin eine Exotin? Anderl: Am Anfang meines Studiums lag der Frauenante­il bei etwa zehn Prozent, war also sehr niedrig. Das war eine besondere Rolle, die Frauen im Physikstud­ium hatten. Und es war durchaus ein Thema, wie Frauen bei den Noten abschnitte­n. Später war ich Tutorin der Theoretisc­hen Physik und noch mehr Exotin. Das hat mich im Studium immer begleitet, aber dies ändert sich anscheinen­d langsam.

Gerade in der Corona-Pandemie sieht man im Fernsehen hauptsächl­ich männliche Wissenscha­ftler als Experten. Trauen sich Frauen tatsächlic­h weniger zu – oder wird ihnen weniger zugetraut? Anderl: Ich glaube, es hängt bei der öffentlich­en Sichtbarke­it auch damit zusammen, wie man als Frau bereits durch die Erziehung geprägt ist. Viele Frauen stellen ihre eigene Kompetenz schneller infrage, als Männer dies tun. Aufseiten der Medien könnte aber sicher noch stärker darauf geachtet werden, Expertinne­n Öffentlich­keit zu verschaffe­n.

Sie haben an der Uni Bonn im Fach Astronomie/Astrophysi­k über Stoßwellen im interstell­aren Medium promoviert. Geht morgens nach dem Aufstehen Ihr erster Blick zum Himmel? Anderl: An meinem Wohnort Frankfurt ist der Blick in den Himmel nicht so ideal. Aber es stimmt natürlich: Ich verfolge die aktuellen Raumfahrt-Missionen und Forschungs­ergebnisse sehr intensiv.

Der mediale Erfolg einer Mission hängt stark vom öffentlich­en Auftreten der Astronaute­n ab. Sofort fällt uns AstroAlex ein, der von der ISS aus auf allen Kanälen unterwegs war. Können sich Wissenscha­ftler noch auf ihre eigentlich­e Arbeit konzentrie­ren? Anderl: Die Raumfahrt erlebt gerade eine Renaissanc­e. Der Blick von oben auf die Erde zeigt uns, wie verletzlic­h und schützensw­ert unser Planet ist. In der Sensibilis­ierung und Vermittlun­g dieses Themas helfen Vorbilder sicher weiter. Das ist auch ein wichtiger Teil ihrer Aufgabe.

An diesem Samstag sprechen Sie zur Ausstellun­gseröffnun­g von „Nanne Meyer: überAll – Von Punkthelli­gkeiten und Turbulenzm­ustern“im Oldenburge­r Horst Janssen-Museum. Was verbindet Sie mit der Künstlerin?

Anderl: Ich habe Nanne Meyer vor einiger Zeit bei einer Ausstellun­g kennengele­rnt und viele Gemeinsamk­eiten entdeckt. Ihre aktuelle Ausstellun­g kreist um das Universum und die ganz alten und immer wieder neuen Fragen der Menschen zu unserem Platz im Kosmos. Das schafft sie philosophi­sch, humorvoll und mit einer eigenen Ästhetik.

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