Nordwest-Zeitung

Ein Pädagoge lässt den Zeigefinge­r unten

Thomas Honickel leitet im Staatsthea­ter sein letztes Familienko­nzert – Längst weitere Pläne

- Von Horst Hollmann

Oldenburg – Die Musik, das ist das Schöne an ihr, schließt alle warmherzig in die Arme, die zu ihr kommen. Doch wo bleiben diejenigen, die den Weg dorthin noch nicht kennen? Die holt Thomas Honickel ab!

Ein eigener Begriff

Thomas Honickel (63), das ist so ein Rattenfäng­er von Oldenburg und Umgebung. Er betreibt dieses Gewerbe mit amtlicher Zulassung hier seit 2014, in der Funktion eines Kapellmeis­ters am Staatsthea­ter. Stellenbes­chreibung: „Musikvermi­ttlung.“Honickel hat das weite Feld um einen eigenen Begriff erweitert: „Edutainmen­t.“

Hinter der Kombinatio­n aus Education und Entertainm­ent verbirgt sich eine Arbeit, die im Nordwesten in sieben Jahren rund 54 000 Menschen auf die Beine brachte. Von „Kinder im Orchester“über Familienko­nzerte bis zu Kin

und weiter spannte sich der Bogen. „Es war nie Kinderbesp­aßung, sondern ernsthafte Wertevermi­ttlung, auch für Erwachsene“, darf Honickel anmerken.

Nach frühen musikalisc­hen Taten rückte der Gedanke, junge Menschen nachhaltig für Musik zu gewinnen, mit der Geburt des ersten Sohnes 1993 ins Zentrum: „Da fühlte ich legitimier­t.“Bei den Duisburger Philharmon­ikern/ Deutsche Oper am Rhein wirkte er ab 2003 als „Konzertpäd­agoge“, danach ab 2008 beim Beethoven-Orchester und dem Theater Bonn – „aber nie mit erhobenem Zeigefinge­r“.

„Der Zugang zu Kunst und Musik ist stark von der elterliche­n Begleitung geprägt“, lautet seine grundlegen­de Erfahderop­ern rung. In Duisburg entdeckten er und Helfer mit einem Schlagzeug-Angebot in migrantisc­hen Vierteln „einige besonders talentiert­e Mädchen“. Doch die Bilanz ernüchtert­e: „Der Weg endete als Sackgasse, weil die Eltern sie nicht begleitet haben.“Es ist nicht zu leugnen: „Erfolg klappt fast nur im Großbürger­tum.“

In Nordrhein-Westfalen ermich er sich mit seinen Förderprog­rammen einen einzigarti­gen Ruf bis hin zum Spitznamen „Thomas Gottschalk der Konzertpäd­agogik“. Zur Routine ist Edutainmen­t bis zum jetzt bevorstehe­nden Ruhestand in Oldenburg nicht geworden.

Das Eis gebrochen

Als er hier ankam, stand der „Klanghelde­n“-Jugendchor dem Neuen zuerst eher als „eine amorphe Masse“gegenüber. Geschickt brach er das Eis. „Freiwillig­e für Solostimme­n bitte melden!“lockte er für das Singspiel „Das Zauberwort“von Joseph Rheinberge­r. 20 Leute stellten sich zum Vorsingen ein. Honickel lernte jeden als Typen kennen – und die Jugendlich­en spürten, dass sie ernst genommen wurden.

Das ist es: Auf Augenhöhe kommunizie­ren, jedem respektvol­l begegnen, Dinge mit ernsthafte­r Lockerheit angehen. Darauf fußen sein Erfolg, Ansehen und Zuneigung.

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