Niederlande kippen Fünf-Tage-Regel
Parlament schafft Wartefrist für Abbruch von ungewollten Schwangerschaften ab
Den Haag – Fast konnte man den Seufzer der Erleichterung hören bei all denen, die seit Jahren gegen jene fünf Tage kämpfen, über die am Donnerstag das niederländische Parlament abgestimmt hat. Fünf Tage nämlich müssen ungewollt schwangere Frauen in Holland nach einem Beratungsgespräch bei einem Arzt bislang warten, bis sie eine Abtreibung vornehmen können. Zum Nachdenken.
Nun votierte eine große Mehrheit der Abgeordneten in Den Haag für die Abschaffung der obligatorischen Wartefrist, die Betroffene, Aktivistinnen wie auch zahlreiche Politiker und Politikerinnen als „Bevormundung“anprangerten. Die Initiatoren der Reform forderten vielmehr, dass Frau und Arzt die Bedenkzeit gemeinsam festlegen. Zu ihnen gehört der linksliberale Abgeordnete Jan Paternotte, der das Ergebnis gestern als „historischen Beschluss“pries.
Kein Fraktionszwang
Linke und linksliberale Kräfte dringen seit Langem auf eine Änderung. Aber erst im neuen Koalitionsvertrag
wurde vereinbart, dass Parlamentarier sich bei Abstimmungen zu medizinethischen Fragen nicht mehr an die Position der Fraktion halten müssen. In der letzten Legislaturperiode hatten die Christdemokraten und die streng konservative
Christen Union eine Reform noch blockiert. „Diese Nachdenkzeit fühlt sich an wie eine Beleidigung. Als ob eine Frau nicht für sich selbst denken kann“, hatte die Abgeordnete Corinne Ellemeet der grünen Partei GroenLinks vorab
moniert. Sie habe lange Zeit gedacht, beim Recht auf Abtreibung handele es sich um „einen Kampf, den meine Mutter gekämpft und der gewonnen wurde“.
Tatsächlich galt das 1984 in Kraft getretene niederländische Gesetz stets als äußerst liberal, die Schwangerschaft darf seitdem beendet werden, „bis der Fötus außerhalb des Körpers der Mutter lebensfähig ist“, so die offizielle Bestimmung. Darunter versteht man in der Regel die 24. Schwangerschaftswoche. Theoretisch. Praktisch führen niederländische Mediziner Abtreibungen lediglich bis zur 22. Woche durch, falls es keine medizinische Indikation gibt.
Abbruch mit Tabletten
Angesichts von Entwicklungen wie etwa in den USA und Polen, wo in den vergangenen Jahren das Recht der Frau, selbst frei entscheiden zu können, zunehmend eingeschränkt wurde, stellte Ellemeet fest, dass auch in den Niederlanden noch einiges verbessert werden könnte. Denn ein Problem, das Betroffene oft haben, ist: Ein Abbruch mithilfe von Tabletten ist nur in der frühen Schwangerschaft möglich. Durch die bislang obligatorische Bedenkzeit aber überschreiten Frauen oft die neunte Woche und können dann die medikamentöse Behandlung nicht mehr in Anspruch nehmen, wie Kritiker der Fünf-Tage-Regel immer wieder betonten.