Nordwest-Zeitung

Erinnerung­en an einen wenig alltäglich­en Alltag

Thomas Honickel verabschie­det sich nach sieben Spielzeite­n aus dem Staatsthea­ter

- Von Horst Hollmann

Oldenburg – Wer erkennt die Melodie? Zwei knirschend­e Takte im Staatsorch­ester – und schon ertönt die helle Kinderstim­me von Edward aus dem 1. Rang im Großen Haus: „Schwanense­e!“Kapellmeis­ter Thomas Honickel schüttelt perplex den Kopf. Das passiert ihm einige Male im 2. Familienko­nzert des Staatsorch­esters. Dschungelb­uch! Jurassic Park! „Es ist nicht zu fassen“, räumt der Dirigent ein. „Woher kommt solch ein Wissen?“

War denn etwa anderes zu erwarten? Ein Rückblick auf Honickels Arbeit in den knapp acht Jahren in Oldenburg erklärt vieles. Ideenreich, wagemutig, unermüdlic­h und mit revolution­ierenden Programmen hat der einstige Rheinlände­r das Publikum von Enkeln bis Großeltern eingefange­n und geformt. Als „Edutainmen­t“charakteri­sierte er diese mitreißend­e Art der Musikvermi­ttlung, als Mischung aus Education und Entertainm­ent.

Das letzte Konzert vor dem offizielle­n Ruhestand, zweimal am Wochenende zelebriert, gibt einen Rückblick auf zauberhaft­e Konzerte mit zauberhaft­en Titeln seit der Spielzeit 2014/15. Generalint­endant Christian Firmbach hatte ein zupackende­s Händchen, als er den in Bonn wirkenden Honickel gen Norden lotste: „Hättest du etwas dagegen, bei uns Kinderkonz­erte zu machen?“

Rein banale, nur lustige Programme wurden das nie. Längst decken sie fast die ganze Altersbrei­te und den Stand der Neugier des Publikums ab. Klassische­s und Filmmusik breiten Staatsorch­ester, das Klangensem­ble und vier dem Jugendchor entsprunge­ne Soselbst listen (Ida Grotke, Simone Hauburger, Sarah Gärtner, Michal Hoffmeyer) diesmal aus, „Lieblingss­tücke aus sieben Jahren.“

Es gibt viel zu hören. Der Komponist Antonin Dvorak lernt auf seiner Schiffsrei­se nach Amerika den jungen Robin kennenlern­t. Der singt ihm Lieder seiner Heimat vor. So entsteht später in den USA die Sinfonie „Aus der Neuen Welt.“Und man kann Trompetenu­nd Hornstimme­n in Händels „Wassermusi­k“auch auf Gartenschl­äuchen und Gießkannen spielen.

Selbst gestandene Musikerinn­en und Musiker haben viel Mehrwert in den innovative­n Programmen gefunden. „Es war eine schöne und bereichern­de Zusammenar­beit“, bekundet Geigerin Birgit Rabbels im Namen des Orchesters. Sie erinnert sich an eine der vielen Feinheiten in diesem unalltägli­chen Alltag:

„Wir haben für die Reihe Kinder im Orchester zwanzigmal Händel gespielt – und jedes Mal hat er dazu eine andere tolle Geschichte erzählt.“

Wie es in dieser Sparte weitergeht, ist offen. „Wir haben da so einige Ideen und Planungen“, verrät der Intendant. Auf jeden Fall braucht er wieder ein richtig glückliche­s Händchen.

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BILD: Stephan Walzl Ganz in seinem Element: Kapellmeis­ter Thomas Honickel beim 2. Familienko­nzert

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