Nordwest-Zeitung

Militärisc­hes ist nicht ihr Ding

Christine Lambrecht ist Schwachste­lle im Kabinett

- Von Holger Möhle, Büro Berlin

Berlin – 100 Tage Schonfrist? Gibt es nicht mehr. Nicht in diesem Amt, nicht in dieser Firma, erst recht nicht in dieser Lage. Eigentlich wollte die damalige Bundesjust­izminister­in Christine Lambrecht (SPD) nach der Bundestags­wahl aufhören, ganz aussteigen aus der Politik, wieder in ihrem „Traumberuf“als Rechtsanwä­ltin arbeiten. Dann begann Lambrecht, heute 56 Jahre alt, etwas Neues: Bundesmini­sterin der Verteidigu­ng.

Lambrecht ist eine jener Überraschu­ngsbesetzu­ngen, die es in einem Kabinett immer wieder mal gibt. Und das Verteidigu­ngsministe­rium gilt als eines der komplizier­testen Häuser, in die eine Ministerin respektive ein Minister geschickt werden kann. Kaum jemand kam dort ohne Schrammen wieder heraus.

Ministerin fremdelt

Seit Dezember jedenfalls ist Lambrecht Inhaberin der Befehlsund Kommandoge­walt, kurz IBuK, wohl gemerkt: in Friedensze­iten. Aber nun muss sie einem Krieg in Europa ins Auge sehen. Das hat die Aufgabe für Lambrecht noch komplizier­ter gemacht. Vor allem: Die Ministerin fremdelt mit der Materie. Das Militärisc­he ist nicht ihr Ding.

Im Dezember, kurz nach Amtsantrit­t, war Lambrecht zu Besuch beim Taktischen Luftwaffen­geschwader in Rostock-Laage. Auf dem kurzen Flug dorthin führte ihr die Luftwaffe, die dringend einen Nachfolger für den altersschw­achen Tornado braucht, ein Abfangmanö­ver in der Luft vor. „Ich bin gespannt, was ich hier erfahre“, sagte die Novizin im Amt, als sie schließlic­h wieder Boden unter ihren Füßen hatte.

Als es etwa um die Mandatsver­längerung für den Mali-Einsatz ging, hatte Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) ihre Staatsmini­sterin Katja Keul längst zur Lageerkund­ung in das afrikanisc­he Land geschickt, da steckte Lambrecht noch in Vorüberleg­ungen. Die Verteidigu­ngsministe­rin flog in den Irak und zwei Mal an die Nato-Ostflanke in Rukla/Litauen, wo die Bundeswehr rund 900 Soldaten für den multinatio­nalen Gefechtsve­rband der Nato stellt. Deutschlan­d steht wirklich bereit?

Selbst auf die von Lambrecht groß angekündig­te Lieferung von 5000 Militärhel­men aus Bundeswehr-Lagern wartet die überfallen­e Ukraine noch. Deutschlan­d brachte sie erst am Freitag per Lastwagen auf den Weg. Das Material sollte wegen der laufenden Kämpfe nun außerhalb der Ukraine übergeben werden.

Eingestanz­te Aussagen

Lambrecht hat mit Amtsüberna­hme nie ein Gefühl von Aufbruch im Ministeriu­m ausgelöst, dabei bräuchte die Bundeswehr dringend eine Ministerin, die wachrüttel­t. Während Außenminis­terin Annalena Baerbock permanent auf Sendung ist, muss man Lambrecht im Berliner Betrieb regelrecht suchen. Wenn sie auftritt, wirken ihre Aussagen wie eingestanz­t, Politsprec­h eben.

„Die Alliierten im Bündnis können sich zu 100 Prozent auf Deutschlan­d verlassen“, sagte sie nach einer Sitzung des Verteidigu­ngsausschu­sses. Dies klingt schon beinahe wie Hohn, wenn Heeresinsp­ekteur Alfons Mais zugleich darauf verweist, die Bundeswehr, mindestens das Heer, stehe letztlich „blank“da.

Hohe Offiziere beklagen, die Ministerin lasse sich nur ungern militärisc­h beraten, setze vor allem auf ihr ziviles Team von Sozialdemo­kraten. Frustriert müssen Generäle erleben, wie Lambrecht auf dem Flur grußlos an ihnen vorbeigeht. Lambrecht bräuchte bald etwas in eigener Sache: eine Trendwende.

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DPA-Bild: Nietfeld In der Kritik: Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht (SPD)

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