„Aufteilen oder eine neue Regierung“
Wie in Russland schon heute das Schicksal der besiegten Ukraine diskutiert wird
In Russland sind die Medien nicht frei – aber sie haben Freiheiten. Zum einen sind sie Verkünder von Regierungspolitik. Zum anderen lassen in den Medien ausgetragene Diskussionen russischer Experten Rückschlüsse auf Entwicklungen zu. Das war bereits während der russischen Intervention in Syrien der Fall. Welches Framing des Krieges bietet die russische Regierung ihren Bürgern an und welches Schicksal der Ukraine wird in Russland diskutiert?
Wie den Krieg erklären?
Ein Blick in eine der meistgelesenen russischen Zeitungen, die „Komsomolskaja Prawda“– Auflage rund 850000, Eigentümer: zwei Oligarchen mit guten Verbindungen
Kreml – schafft Orientierung. Zunächst geht es um Begriffe. Wer die Begriffe prägt, prägt das Denken. So spricht das Blatt, wie auch andere Zeitungen, konsequent von einer „Spezialoperation“. Das Wort „Krieg“vermeiden die Redakteure und liefern die Begründung gleich mit: In der Ukraine gehe es nicht darum, Ressourcen oder Territorium zu erobern – nein, man wolle ja nur die „friedliche Zivilbevölkerung des Donbass“schützen und „im Rahmen des Rechts auf Selbstverteidigung“den Beitritt der Ukraine zur Nato verhindern. „Weil die Ausdehnung der Nato in den Osten unsere Sicherheit gefährdet.“Dass diese Bedrohung schon präsent gewesen sei, macht die Zeitung ihren Lesern zudem weis: „Es gab dort mehr als zehn Militärbasen, auf denen unter dem Vorwand
Ausbildungsmissionen bereits ausländische Einheiten präsent waren.“
Die russische Regierung rechtfertigt den Krieg, den sie nicht Krieg nennt, also nach innen als ausschließlich humanitäre Intervention und Antwort auf eine Bedrohung.
Die Diskussion über das Schicksal der Ukraine nach einem möglichen russischen Sieg, die in einem anderen Artikel im gleichen Blatt geführt wird, straft diese Interpretation allerdings Lügen.
Was tun mit der Ukraine?
Unter der Überschrift: „Aufteilen oder eine neue Regierung: Was die Ukraine nach der Spezialoperation erwartet“wird Klartext geredet und zwar von gleich mehreren russischen Geostrategen. Sergej Fokin, Professor an der „Akazum demie für Volkswirtschaft und Öffentlichen Dienst beim Präsidenten der Russischen Föderation“, einem der StrategieThinktanks Russlands, erwartet zunächst eine Serie von Schauprozessen gegen „Kriegsverbrecher“, also all jene, die sich russischen Machtansprüchen in der Ukraine widersetzen. „Wenn die Amerikaner das machen, können wir das auch.“
Was soll mit dem Staat geschehen? Nach einer Übergangsperiode könne man wählen lassen, natürlich unter Ausschluss von „Nationalisten“und nach „Unterstützung prorussischer Kräfte“. Als Übergangspräsident böte sich Viktor Janukowitsch an – eben jener korrupte Ex-Präsident, der nach den Maidan-Protesten abgesetzt wurde.
Im Grunde geht es also um die Einsetzung einer Mariovon netten-Regierung. Das macht in dem Artikel Wjatscheslaw Nikonow deutlich. Der ist stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Parlamentes: „Wir werden darauf bestehen, dass dort eine Regierung an die Macht kommt, die sich für konstruktive Beziehungen mit unserem Land einsetzt.“Dafür werde man „absolut alles“tun.
Aber: „Wenn der Westen das nicht anerkennt und weiter eskaliert, etwa mit Sanktionen, dann könnte das ganze in einer Teilung oder Föderalisierung der Ukraine enden.“Das sagt Alexander Losew, Mitglied des Präsidiums des „Rates für Außen- und Verteidigungspolitik“, eines weiteren einflussreichen Thinktanks.
Ukraine? Russische Geostrategen haben sie schon unter dem Etikett „SatellitenStaat“eingebucht.