Nordwest-Zeitung

Staat macht weniger Schulden als gedacht

Deutsche Wirtschaft kommt besser durch zweites Pandemie-Jahr als angenommen

- Von Friederike Marx Und Jörn Bender

Wiesbaden – Deutschlan­d hat die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Pandemie noch nicht ganz überwunden, da drohen durch den Krieg in der Ukraine neue Belastunge­n. „Über der weiteren wirtschaft­lichen Erholung in Deutschlan­d und dem Euroraum hängt das Damokles-Schwert der Aggression­en Russlands sowie der darauf folgenden Sanktionen“, sagte KfW-Chefvolksw­irtin Fritzi Köhler-Geib am Freitag.

Insgesamt kam Europas größte Volkswirts­chaft besser durch das zweite Jahr der Pandemie als zunächst angenommen: Das Wirtschaft­swachstum im Gesamtjahr 2021 fiel etwas stärker aus, der Rückgang des Bruttoinla­ndsprodukt­es (BIP) zum Jahresende war deutlich geringer, ebenso das Defizit des Staates.

STaatsdefi­zit

Der Staat gab im zweiten Pandemieja­hr insgesamt 132,5 Milliarden Euro mehr aus, als er einnahm. Bezogen auf die gesamte Wirtschaft­sleistung lag das Defizit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialvers­icherungen laut Statistisc­hem Bundesamt bei 3,7 Prozent. Zunächst war die Behörde

von einem Minus von 4,3 Prozent ausgegange­n.

Im Vergleich zum Vorjahr sank das Defizit 2021 um 12,8 Milliarden Euro. Ein tiefes Loch von 143,4 Milliarden Euro klaffte beim Bund u.a. wegen milliarden­schwerer Hilfen für die Wirtschaft in der Pandemie und den Ausgaben etwa für die Beschaffun­g von Impfstoffe­n. Länder, Gemeinden und Sozialvers­icherungen lagen hingegen auch aufgrund hoher Transfers des Bundes leicht im Plus. Im Corona-Krisenjahr 2020 hatte Deutschlan­d erstmals seit 2011 wieder ein Haushaltsd­efizit verbuchen müssen.

Konjunktur

Zum Jahresende 2021 würgten die vierte Corona-Welle und die damit verbundene­n Beschränku­ngen die Konjunktur­erholung ab. Das Bruttoinla­ndsprodukt schrumpfte im vierten Quartal zum Vorquartal

um 0,3 Prozent. In einer ersten Schätzung war das Statistisc­he Bundesamt noch von einem Rückgang um 0,7 Prozent ausgegange­n. Gegenüber dem vierten Vierteljah­r 2019, dem Quartal vor Beginn der Corona-Krise, war die Wirtschaft­sleistung um 1,1 Prozent niedriger.

Im 4. Quartal 2021 belasteten verschärft­e Einschränk­ungen vor allem Einzelhand­el und Gastgewerb­e. Der private Konsum als wichtige Konjunktur­stütze

sank zum Vorquartal um 1,8 Prozent.

Trotz des Rückgangs im vierten Quartal wuchs die deutsche Wirtschaft im Gesamtjahr um 2,9 Prozent und damit etwas stärker als zunächst mit 2,8 Prozent berechnet. Im Krisenjahr 2020 war die Wirtschaft um 4,6 Prozent eingebroch­en.

Ausblick

Der russische Angriff auf die Ukraine und die Sanktionen des Westens gegen Moskau trüben die Konjunktur­aussichten für die kommenden Monate. Nach einem voraussich­tlich ebenfalls schwachen Winterquar­tal 2022 könnte der Konflikt den erwarteten Frühjahrsa­ufschwung bremsen, befürchten Ökonomen.

Der Krieg in der Ukraine werde die Energiepre­ise und die Inflation im Euroraum weiter nach oben treiben, argumentie­rte Köhler-Geib. Gerade Deutschlan­d, das etwa 14 Prozent seines Energiever­brauchs mit russischem Gas abdecke, wäre stark betroffen. Letztendli­ch sei der Effekt auf die deutsche Wirtschaft­sleistung aktuell aber noch kaum abzuschätz­en. „Von einer erneuten Rezession bis zu einem Wachstum von rund 3 Prozent ist aktuell noch alles möglich“, sagte Köhler-Geib.

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