Nordwest-Zeitung

Safaritour klingt wie Wunschkonz­ert

Land im südlichen Afrika bietet mehr als Löwen in Parks – Nachhaltig­e Landnutzun­g

- Von Christian Selz

Mbabane – Wilden Löwen ganz nahe kommen: Im kleinen Königreich Eswatini ist dieses Erlebnis sicher möglich. Doch der Reisende lernt auch: Sein Safari-Traum ist eingebette­t in einen größeren Konflikt.

Die Safaritour durch den Royal National Park klingt wie ein Wunschkonz­ert. Welche Tiere sie denn gern sehen würden, fragt Guide Lucky Vilakati seine Gäste, die es sich auf den erhöhten Bänken des offenen Geländewag­ens bequem gemacht haben.

„Löwen“, sagt eine Frau spontan. Der 32-Jährige grübelt kurz. Es ist Nachmittag, ein paar Nieselwolk­en haben sich vor die Sonne geschoben – die Raubkatzen werden für gewöhnlich erst in der Dämmerung aktiv. Doch der junge Mann, der bei gut 25 Grad die Wollmütze mit dem Parkemblem trägt, scheint einen Plan zu haben.

Geier warten auf Löwen

Mit einem Schütteln startet der schwere Wagen, dann geht es los, auf ausgewasch­enen Sandpisten durch den 30000 Hektar großen Nationalpa­rk im Königreich Eswatini, in diesem kleinen, unabhängig­en Staat im Bergland zwischen Mosambik und Südafrika.

Die erste hoffnungsv­olle Sichtung folgt bald. Zwei Geier haben es sich auf einem abgestorbe­nen Baum bequem gemacht. Im Gegenlicht sehen sie sich zum Verwechsel­n ähnlich, doch Vilakati erklärt, dass hier Tiere zweier verschiede­ner Arten nebeneinan­der sitzen – und zwar nicht ohne Grund. Der kleinere Kappengeie­r im Hintergrun­d braucht den Weißrücken­geier auf dem vorderen Ast, weil nur letzterer in der Lage ist, Fleisch von den Knochen eines Kadavers zu kratzen.

Raubkatzen ganz nah

Vorerst allerdings sind beide im Wartestand, die Löwen haben noch nicht geliefert. Entdeckt sind die Raubkatzen kurz darauf dennoch. Ein Weibchen hebt im hohen Gras den Kopf, kurz darauf tauchen zwei Männchen direkt vor dem Wagen auf dem Weg auf. Zwillingsb­rüder seien die beiden, erklärt Vilakati, etwa fünf Jahre alt und damit noch zu jung, um als dominantes Tier ein Rudel zu führen.

Dann gibt der bescheiden­e Guide preis, wie er die Könige der Tierwelt so schnell und zielgerich­tet finden konnte: Die Löwen leben in einem 1000-Hektar-Bereich, der durch Zäune vom Rest des Schutzgebi­ets abgetrennt ist. Grund dafür ist eine Hauptstraß­e, die durch den Park führt. „Wenn da jemand eine Panne hat und aus dem Auto muss, um den Reifen zu wechseln . . .“, sagt Vilakati – und führt seinen Gedanken lieber nicht zu Ende. Die beiden Lö

wen laufen nun ruhig an dem zu allen Seiten offenen SafariWage­n vorbei, heben die Nasen und nehmen die Witterung der weitgehend verstummte­n Gäste auf.

Überweidun­g droht

Nur der Guide spricht noch mit leiser Stimme und erklärt, dass die Raubtiere den Zaun ihres Bereichs gezielt nutzen, um Beutetiere in die Enge zu treiben. Zebras gibt es in dem Areal deshalb nicht, sie würden in Panik die elektrisch gesicherte­n Barrieren durchbrech­en. Menschen seien aber sicher, solange sie nicht aussteigen.

Die Tour bietet nicht nur ein hautnahes Erlebnis in der Wildnis, sondern auch einen Einblick, was bei der Organisati­on eines solchen Nationalpa­rks alles bedacht werden muss. Dabei beschränke­n sich die schützensw­erten Areale in

Eswatini längst nicht nur auf die Nationalpa­rks. Außerhalb der Schutzgebi­ete ist die Naturlands­chaft aber zunehmend bedroht.

Hauptgrund dafür ist die Überweidun­g. Rinderherd­en sind in Eswatini die traditione­lle Geldanlage, sie symbolisie­ren nicht nur Reichtum, sondern bedeuten auch ganz praktisch Wohlstand. In Kombinatio­n mit einem starken Bevölkerun­gswachstum – durchschni­ttlich hat eine Familie drei bis vier Kinder – bedeutet dies, das immer mehr Buschland zu Weidegründ­en wird. Weil im dichter besiedelte­n Tiefland Eswatinis infolge des Klimawande­ls immer weniger Regen fällt, geraten auch die fragilen Ökosysteme des Hochlands unter Druck.

Dorfbewohn­er einbinden

Naturschut­z funktionie­rt unter diesen Voraussetz­ungen nur durch die Einbindung der Bevölkerun­g in den umliegende­n Dörfern. „Die Gemeinden waren es, die die Umwelt über die Jahrhunder­te erhalten haben, es gibt also keinen Grund, sie nun nicht einzubinde­n“, sagt Seth Maphalala, Programmma­nager der Lubombo Transfront­ier Conservati­on Area (TFCA). Für das grenzübers­chreitende Schutzgebi­et sind die artenreich­en Bergregion­en in Eswatini von besonderer Bedeutung.

Um die Ökosysteme zu erhalten, setzt die Verwaltung auf nachhaltig­e Nutzung – und auf Tourismus. Ein Beispiel, wie das funktionie­ren kann, liefert die Gemeinde Shawula, die mit internatio­naler Förderung ein kleines Gästehaus mit acht Hütten aufgebaut hat. Bei geführten Rundgängen kommen die Gäste mit der Dorfbevölk­erung ins Gespräch und probieren das vor Ort gebraute Maisbier. Eine Frauentanz­gruppe führt traditione­lle Stücke auf, die in der Kultur der Swasi seit jeher eine wichtige Rolle spielten: Durch Gesang und Tanz konnten die Einheimisc­hen einst Kritik an die Herrschend­en herantrage­n.

Erfolgreic­he Lodge

Der lokale Chief, die höchste Autorität im Dorf, musste nicht überzeugt werden. Er hatte das Projekt von Beginn an unterstütz­t – auch gegen Widerständ­e. „Die Leute waren anfangs wütend auf den Chief, die haben gesagt, der will unser Land verkaufen“, berichtet Nomsa Mabila, die für die TFCA arbeitet und selbst aus Shawula stammt. Fünf Jahre habe es gedauert, ehe die Lodge erfolgreic­h war – und die Kritiker sind weitgehend verstummt.

Einen Teil ihres traditione­llen Landes hat die Gemeinde zum Naturreser­vat ausgewiese­n, in dem einst heimische Tiere in naher Zukunft wieder angesiedel­t werden sollen. Und eine mehrtägige Wandertour soll irgendwann bis nach Mosambik führen.

 ?? DPA-BILD: Christian Selz ?? Den Giganten ganz nah: Nashornpir­sch im Royal Hlane National Park mit Guide Lucky Vilakati.
DPA-BILD: Christian Selz Den Giganten ganz nah: Nashornpir­sch im Royal Hlane National Park mit Guide Lucky Vilakati.
 ?? DPA-BILD: Christian Selz ?? Auf der Fahrt durch den Royal Hlane National Park läuft der Elefant direkt vor dem Wagen her.
DPA-BILD: Christian Selz Auf der Fahrt durch den Royal Hlane National Park läuft der Elefant direkt vor dem Wagen her.
 ?? DPA-BILD: Selz ?? Die Löwen sind das Highlight im National Park.
DPA-BILD: Selz Die Löwen sind das Highlight im National Park.
 ?? DPA-BILD: Christian Selz ?? Folklore: Tänzerinne­n in Shewula.
DPA-BILD: Christian Selz Folklore: Tänzerinne­n in Shewula.

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