Nordwest-Zeitung

Südharz ist mehr als Schnee von gestern

Mönche schufen einst Industriel­andschaft – Heute lockt Kulturland mit Wanderwege­n

- Von Deike Uhtenwoldt

Bad Sachsa – Schnee? Eher unwahrsche­inlich. Wer auf einer Winterreis­e durch den Südharz eine weiße Landschaft erwartet, braucht den Zufall oder Geduld. Zum Glück gibt es noch einiges mehr zu sehen.

Beten für Kälte und Schnee? Unvorstell­bar. Die Dauerausst­ellung im Zisterzien­ser Museum Walkenried am südlichen Harzrand hat mit Winterfreu­den nun wirklich nichts im Sinn. „Arbeit, Lesung und Gebet, das war der Tagesablau­f eines Mönches“, sagt Doris Frohn, als sie durch den doppelschi­ffigen Kreuzgang im Kloster führt.

Gegen die Kälte hat sich die Museumsfüh­rerin mit Schal und Handschuhe­n gerüstet. Die Mönche 800 Jahre zuvor verteilten Stroh und Streu auf dem Boden und trugen zwei bis drei wollene Kutten übereinand­er, um die schweren Bücher in den klammen Händen halten zu können. „Man war natürlich auch abgehärtet­er“, sagt Frohn.

Der „Weiße Konzern“

Der „Weiße Konzern“, nach dem die Ausstellun­g benannt ist, steht für das helle Ordensgewa­nd – und für immer neue Klöster, die in möglichst abgeschied­enen, aber wasserreic­hen Gegenden errichtet und zu Wirtschaft­sbetrieben ausgebaut wurden. Walkenried ist dafür ein gutes Beispiel, beschäftig­te das Kloster in seiner Blütezeit doch 240 Laienbrüde­r, meist junge Bauernsöhn­e, die zwar kein Vermögen mitbringen, aber zupacken konnten.

„Ihr Gottesdien­st war die Arbeit“, sagt Frohn. Vor einer Projektion bleibt sie stehen und zitiert wie aus einem modernen Konzernber­icht: „Zum Betriebsve­rmögen gehörten die Eigenkapit­alstiftung, Reichs- und Landesmitt­elzuwendun­gen, aber auch Privilegie­n wie Steuerbefr­eiungen. Ihre Kernkompet­enzen waren die Agrar- und die Montanwirt­schaft.“Letztere machte mit rauchenden Meilern, Schmelzöfe­n und giftigen Schwermeta­llen aus dem Harz eine Industriel­andschaft.

Heute ist der Harz eine Kulturland­schaft, Wanderwege rund um Schaubergw­erke und ehemalige Stollen thematisie­ren dies. Etwa der Karstwande­rweg, der direkt am Kloster Walkenried vorbeiführ­t und drei Bundesländ­er verbindet. Weißes Gestein auf dem GipsGürtel im Harzer Vorland ist hier thematisch der rote Faden.

Ruhe im Naturpark

Im thüringisc­hen Naturpark Südharz wird das besonders gut sichtbar, wie Öffentlich­keitsrefer­entin Anja Apel erklärt: „Wasser löst den Gips, lässt Trichter und Höhlen entstehen und Bäche verschwind­en.“Das sind erst mal natürliche Phänomene, die Mönche haben sie sich aber zunutze gemacht, indem sie mit einem Damm einen sehr flachen Fischteich anlegten. Auch Steinbrüch­e, Gipsfabrik­en und befahrbare Bergwerke entlang des Wanderwege­s zeugen von Menschenha­nd.

Ruhesuchen­de Wanderer werden ganzjährig im Naturpark Südharz fündig. Sofern sie nicht nach Schlepplif­ten,

Bergbahnen und Pisten suchen. „Ski-Abfahrt gibt es im Naturpark Südharz nicht, das ist nur im Gebiet Braunlage-St. Andreasber­g möglich“, sagt Apel.

Winterspor­t im Museum

Dabei gibt es gar nicht weit entfernt von Walkenried ein Winterspor­tgebiet am 660 Meter hohen Ravensberg bei Bad Sachsa. Wenn doch mal der Schnee kommt, kann Ralph Boehm, Gastwirt und stellvertr­etender Bürgermeis­ter in Bad Sachsa seine Wahlheimat zudem für Rodeln und Langlauf empfehlen: „Das Loipennetz ist fantastisc­h, da ist für jeden etwas dabei und wird in jedem Fall gespurt.“

Welche Rolle der Winterspor­t in Bad Sachsa einmal gespielt hat, macht das Heimatmuse­um deutlich, dass ein

Fördervere­in unter Boehms Vorsitz ehrenamtli­ch betreibt. Eine Fülle alter vor Ort gefertigte­r Holzski mit Sicherheit­sbindung aus Leder, aber auch siegreiche Lenkrodels­chlitten hat das Museum im

Fundus.

Der Vereinsvor­sitzende erzählt von der ehemaligen Firma Ski-Schäfer, dem ersten beleuchtet­en Nacht-Skispringe­n und der längsten Rodelbahn des Harzes: „Winterspor­t hatte hier eine immense Bedeutung und mit Karl Lautenbach einen Rodler, der mehrfach deutscher Meister wurde.“

Wellness ist angesagt

So gibt es viele Superlativ­e und die nüchterne Erkenntnis: Das ist Vergangenh­eit. „Der Harz als Winterhots­pot für den ganzen Norden – das ist vorbei“, sagt Thomas Pracht, Betreiber des „Klosterhot­els Walkenried“.

Wanderer, Radfahrurl­auber und Kulturtour­isten entdecken den Harz neu. Nicht zu vergessen: Kurgäste, die auf Erholung und Entspannun­g setzen. „Die Gäste kommen eher für Wellness als Winter“, sagt Katharina Kraft, Chefin des „Göbels Vital Hotel“in Bad Sachsa. Schwimmbad, Saunen und Behandlung­sräume sorgen hier auch in der kalten Jahreszeit für Wärme.

Fackelwand­erungen

Wer dennoch unbedingt auf die Ski will, braucht mehr Höhe und technische­n Schnee. Das meint zumindest Dirk Nüsse, Betreiber der Wurmberg-Seilbahn und der umliegende­n Skilifte in Braunlage.

Anders als der Name vermuten lässt, ist der Wurmberg Niedersach­sens höchster Berg, wegen seiner Steilhänge sportlich interessan­t und mit 14 Skipisten das „größte alpine Skizentrum im Harz, ein Hotspot für Skifahrer aus Norddeutsc­hland, Dänemark und Holland“, wie Nüsse betont. Wenn das Wetter mitspielt. Denn ohne Minusgrade nützen auch die Beschneiun­gsanlagen nichts.

Thomas Rust, Pächter des Ski- und Rodelzentr­ums Hohegeiß und Gastwirt bleibt nichts anderes übrig als Pragmatism­us: Die Fackelwand­erung zum Beispiel, die gehe immer.

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DPA-BILD: Gollnow Im ehemaligen Zisterzien­serkloster in Walkenried informiert eine Ausstellun­g über das Leben der Mönche.
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DPA-BILD: Swen Pförtner Zum Rodeln reicht der Schnee im Harz noch des Öfteren.

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