In 28 000 Betrieben stehen Wahlen an
Gewerkschaften trommeln zur Abstimmung über Arbeitnehmervertretungen
Frankfurt/Oldenburg – Der Wahlkampf hat längst begonnen. In den kommenden drei Monaten (1. März bis 31. Mai) werden in rund 28 000 Betrieben in Deutschland die Arbeitnehmervertretungen neu gewählt. Zur Wahl unter teils schwierigen Corona-Bedingungen stellen sich freie Listen, Einzelbewerber und natürlich gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte. Doch vor den Wahlen gibt es häufig Stress mit den Arbeitgebern.
Räte längst nicht überall
Obwohl es laut Betriebsverfassungsgesetz in jedem Betrieb mit mehr als fünf Mitarbeitern einen Rat geben könnte, ist dies nur etwa in jedem zehnten tatsächlich der Fall. Laut IAB-Betriebspanel arbeiteten 2019 im Westen nur 41 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit Arbeitnehmervertretungen, im Osten waren es sogar nur 36 Prozent. Wie bei der Tarifbindung gilt der Grundsatz, dass Mitbestimmung in größeren Unternehmen sehr viel wahrscheinlicher institutionalisiert ist als in kleineren. 2018 lag die Beteiligung in den Betrieben, in denen gewählt werden konnte, laut DGB bei 75,5 Prozent.
Für die Gewerkschaften ist die betriebliche Arbeit der wichtigste Zugang zu den Menschen, die Grundlage für alle weitergehenden Zielsetzungen. Flächentarifverträge oder Einfluss auf die künftige Ausrichtung ganzer Industriezweige sind ohne eine Verankerung
in den Betrieben nicht denkbar. Wahlzeiten sind daher auch immer Gründerzeiten für neue Gremien. Die Hürden sind seit einer Gesetzesänderung 2021 noch einmal niedriger, aber es gibt immer noch viele Wege, eine Betriebsratsgründung zu behindern.
Ein Paradebeispiel des „Union Busting“sieht die Gewerkschaft Verdi gerade beim
Autovermieter Sixt – ein weltweit agierendes Unternehmen mit 7000 Beschäftigten, aber keinem einzigen Betriebsrat. Bei Gründungsversuchen an den Flughäfen in Frankfurt und Düsseldorf sahen sich mehrere Initiatoren mit fristlosen Kündigungen konfrontiert, aus den Wahlen wurde nichts. Sixt begründet den Rausschmiss jeweils mit persönlichen Verfehlungen der
Betroffenen. Betriebsräte werde man unterstützen, wenn die Belegschaft es wünsche.
DGB sieht viele Vorteile
Der Deutsche Gewerkschaftsbund listet gleich eine ganze Reihe von Vorteilen auf, die betriebliche Mitbestimmung den Beschäftigten bringe: Mehr Urlaub, mehr Geld, bessere Vereinbarkeit zwischen Beruf und Privatem und sichere Jobs sind nur die wichtigsten Punkte. Auch die Unternehmen hätten ihre Vorteile, wenn eine engagierte Mitarbeitervertretung die Dinge im Betrieb kooperativ mitregelt: Gewinne und Produktivität seien deutlich besser, lautet das Ergebnis einer Studie der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung.
Auch im Nordwesten trommeln die Gewerkschaften zur Betriebsratswahl. „Die Arbeit von Betriebsräten ist heute wichtiger denn je“, meint etwa Martina Bruse, 1. Bevollmächtigte der IG Metall Oldenburg und der IG Metall Wilhelmshaven. „Sie müssen dafür sorgen, dass der notwendige Wandel in den Betrieben nicht verschlafen wird – und dass es dabei gerecht zugeht.“