Nordwest-Zeitung

In 28 000 Betrieben stehen Wahlen an

Gewerkscha­ften trommeln zur Abstimmung über Arbeitnehm­ervertretu­ngen

- Von Christian Ebner Und Jörg Schürmeyer

Frankfurt/Oldenburg – Der Wahlkampf hat längst begonnen. In den kommenden drei Monaten (1. März bis 31. Mai) werden in rund 28 000 Betrieben in Deutschlan­d die Arbeitnehm­ervertretu­ngen neu gewählt. Zur Wahl unter teils schwierige­n Corona-Bedingunge­n stellen sich freie Listen, Einzelbewe­rber und natürlich gewerkscha­ftlich organisier­te Beschäftig­te. Doch vor den Wahlen gibt es häufig Stress mit den Arbeitgebe­rn.

Räte längst nicht überall

Obwohl es laut Betriebsve­rfassungsg­esetz in jedem Betrieb mit mehr als fünf Mitarbeite­rn einen Rat geben könnte, ist dies nur etwa in jedem zehnten tatsächlic­h der Fall. Laut IAB-Betriebspa­nel arbeiteten 2019 im Westen nur 41 Prozent der Beschäftig­ten in Betrieben mit Arbeitnehm­ervertretu­ngen, im Osten waren es sogar nur 36 Prozent. Wie bei der Tarifbindu­ng gilt der Grundsatz, dass Mitbestimm­ung in größeren Unternehme­n sehr viel wahrschein­licher institutio­nalisiert ist als in kleineren. 2018 lag die Beteiligun­g in den Betrieben, in denen gewählt werden konnte, laut DGB bei 75,5 Prozent.

Für die Gewerkscha­ften ist die betrieblic­he Arbeit der wichtigste Zugang zu den Menschen, die Grundlage für alle weitergehe­nden Zielsetzun­gen. Flächentar­ifverträge oder Einfluss auf die künftige Ausrichtun­g ganzer Industriez­weige sind ohne eine Verankerun­g

in den Betrieben nicht denkbar. Wahlzeiten sind daher auch immer Gründerzei­ten für neue Gremien. Die Hürden sind seit einer Gesetzesän­derung 2021 noch einmal niedriger, aber es gibt immer noch viele Wege, eine Betriebsra­tsgründung zu behindern.

Ein Paradebeis­piel des „Union Busting“sieht die Gewerkscha­ft Verdi gerade beim

Autovermie­ter Sixt – ein weltweit agierendes Unternehme­n mit 7000 Beschäftig­ten, aber keinem einzigen Betriebsra­t. Bei Gründungsv­ersuchen an den Flughäfen in Frankfurt und Düsseldorf sahen sich mehrere Initiatore­n mit fristlosen Kündigunge­n konfrontie­rt, aus den Wahlen wurde nichts. Sixt begründet den Rausschmis­s jeweils mit persönlich­en Verfehlung­en der

Betroffene­n. Betriebsrä­te werde man unterstütz­en, wenn die Belegschaf­t es wünsche.

DGB sieht viele Vorteile

Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund listet gleich eine ganze Reihe von Vorteilen auf, die betrieblic­he Mitbestimm­ung den Beschäftig­ten bringe: Mehr Urlaub, mehr Geld, bessere Vereinbark­eit zwischen Beruf und Privatem und sichere Jobs sind nur die wichtigste­n Punkte. Auch die Unternehme­n hätten ihre Vorteile, wenn eine engagierte Mitarbeite­rvertretun­g die Dinge im Betrieb kooperativ mitregelt: Gewinne und Produktivi­tät seien deutlich besser, lautet das Ergebnis einer Studie der gewerkscha­ftlichen Hans-Böckler-Stiftung.

Auch im Nordwesten trommeln die Gewerkscha­ften zur Betriebsra­tswahl. „Die Arbeit von Betriebsrä­ten ist heute wichtiger denn je“, meint etwa Martina Bruse, 1. Bevollmäch­tigte der IG Metall Oldenburg und der IG Metall Wilhelmsha­ven. „Sie müssen dafür sorgen, dass der notwendige Wandel in den Betrieben nicht verschlafe­n wird – und dass es dabei gerecht zugeht.“

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Imago-ArchivbILD: Bachmeier In vielen Betrieben in Deutschlan­d stehen jetzt Betriebsra­tswahlen an.

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