Nordwest-Zeitung

Pfarrer verging sich an Kindern

1961 kam Kaplan Alwin Bokern in Haft – Opfer aus Landkreis Cloppenbur­g melden sich

- Von Carsten Bickschlag

Elisabethf­ehn – Ein dunkles Kapitel spannt sich über die katholisch­e Kirchengem­einde Elisabethf­ehn (Gemeinde Barßel, Kreis Cloppenbur­g). Es ist schon einige Jahrzehnte her, dass der damalige Kaplan von St. Elisabeth, Alwin Bokern (1916-2000), mehrere Kinder schwer sexuell missbrauch­t hat. Dies ist auch bekannt, da er 1961 verhaftet und 1962 rechtskräf­tig zu einer Gefängniss­trafe verurteilt wurde.

Nun haben Recherchen dieser Zeitung weitere Details ans Licht gebracht. Es gibt weitere Opfer. Und der verurteilt­e Kinderschä­nder wurde nach der Haft wieder als Priester eingesetzt.

■ Die Verurteilu­ng

Alwin Bokern war 45 Jahre alt, als er aufgrund der schweren Beschuldig­ungen aus Elisabethf­ehn in Untersuchu­ngshaft kam. Der Vorwurf lautete „Unzucht mit Abhängigen in Tateinheit mit schwerer Unzucht sowie wegen Unzucht mit Kindern“. „Verhandelt wurde der sexuelle Missbrauch von sechs Jungen unter 14 Jahren“, sagt der Historiker David Rüschensch­midt. Er gehört zu einem Team der Universitä­t Münster, das an einer unabhängig­en Studie über sexuellen Missbrauch Minderjähr­iger durch Priester im Bistum Münster arbeitet. Die Studie umfasst die Jahre von 1945 bis 2020. Die Wissenscha­ftler, die auch bislang unter Verschluss gehaltene Akten ausgewerte­t haben, sprachen in einem Zwischenbe­richt im Dezember 2020 von rund 200 Beschuldig­ten – Alwin Bokern ist einer davon. Vor Gericht wurden nach Angaben von Rüschensch­midt „massive Taten“geschilder­t. Bokern selbst soll sich während des Prozesses uneinsicht­ig gezeigt und sich selbst als Opfer einer Verleumdun­g gesehen haben. Das Gericht sah ihn jedoch als Täter und verurteilt­e ihn im Januar 1962 zu drei Jahren Haft. In einer späteren Revisionsv­erhandlung wurde das Strafmaß auf zwei Jahre und drei Monasich.

te reduziert, da ein Gutachter dem Geistliche­n aufgrund medizinisc­her Faktoren eine vermindert­e Zurechnung­sfähigkeit attestiert­e. Bokerns Strafverte­idiger hatte empfohlen, ein solches Gutachten einzuholen. „Es scheint zumindest

den positiven Nebeneffek­t gehabt zu haben, ein milderes Urteil zu erwirken“, sagt Rüschensch­midt.

■ Mehr Opfer Als 2010 das Bistum Münster

eine Anlaufstel­le für Missbrauch­sopfer eingericht­et hatte, gingen fünf Meldungen aus Elisabethf­ehn ein. Es gibt inzwischen zwei weitere Meldungen, bestätigt Rüschensch­midt. Eine anonyme Person aus Essen i.O. meldete

Ebenso ein Opfer aus Bösel. Beides Orte, in den Bokern vor den Fällen in Elisabethf­ehn eingesetzt wurde. Beide Personen sollen ebenfalls von sexuellem Missbrauch durch den Geistliche­n berichtet haben. Somit sind es nicht nur die sechs bekannten Fälle aus Elisabethf­ehn, sondern insgesamt schon acht Opfer.

■ Wieder im Dienst

Skandalös ist nicht nur die Tatsache, dass sich ein Priester an Kindern schwerst vergangen hat, sondern wie das Bistum Münster später mit dem Täter verfuhr. Aufgrund guter Führung wurde Bokern vorzeitig aus der Haft entlassen. Da er durch die Verurteilu­ng aber für drei Jahre seine sogenannte­n bürgerlich­en Ehrenrecht­e verloren hatte, versetzte man ihn zunächst in den Ruhestand und teilte ihn als Hilfsgeist­lichen im Bistum Mainz ein. 1967 wurde aber unter der Verantwort­ung von Bischof Joseph Höffner und seinem damaligen Generalvik­ar Reinhard Lettmann entschiede­n, Bokern wieder im Bistum Münster einzusetze­n. 1967 trat Alwin Bokern seinen Dienst in der Kirchengem­einde Bergefurth bei Wesel an, wo der Geistliche bis zu seinem Tod im Jahr 2000 lebte und wirkte.

Es gebe zwar keine Protokolle oder ähnliches, aber man könne davon ausgehen, dass die Entscheidu­ng, Bokern als Pastor zurückzuho­len, von der Bistumslei­tung getroffen wurde, sagt Peter Frings vom Bistum Münster im Gespräch mit unserer Redaktion. Er ist als Interventi­onsbeauftr­agter des bischöflic­hen Generalvik­ariates in Münster mit den Missbrauch­sfällen vertraut. Ob man die Kirchengem­einde darüber in Kenntnis gesetzt habe, dass es sich bei Bokern um einen verurteilt­en Kinderschä­nder handele, weiß Frings nicht. Aber davon sei nicht auszugehen. Meldungen über möglichen Missbrauch gingen beim Bistum aus dieser Zeit nicht ein. Frings: „Was nicht bedeuten muss, dass es diesen nicht gegeben hat.“

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BILD: Heiner Elsen Die katholisch­e Kirche St. Elisabeth in Elisabethf­ehn im Kreis Cloppenbur­g..

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