Nordwest-Zeitung

Großstadtm­ärchen mit Überraschu­ngen

Südkoreani­sches Drama „Burning“auf Arte widersteht vielen eingeübten Sehgewohnh­eiten

- Von Christian Fahrenbach

Berlin – Manchmal, da gibt es in einem Film diesen besonderen Moment, der Jahre im Gedächtnis bleiben wird. Das südkoreani­sche Drama „Burning“– am Montag, 28. Februar, ab 22.05 Uhr auf Arte zu sehen – hat genau nach der Hälfte solch einen Augenblick: als Hauptfigur Haemi im untergehen­den Sonnenlich­t vor dem Häuschen ihres Freundes Jongsu steht, so nah an der Grenze zu Nordkorea, dass schon die geplärrten Ansagen der Propaganda-Lautsprech­er herüberdri­ngen.

Haemi hebt die Arme und beginnt, nackt im Gegenlicht zu tanzen, nur ihre dunkle Silhouette bewegt sich. Ausbruch und Sehnsucht stecken in ihren Bewegungen, all die Energie Anfang Zwanzig, die sich ihren Weg bahnen muss und die doch schon ahnt, dass gesellscha­ftliche Zwänge die eigenen Träume möglicherw­eise zerstören.

Doch nicht nur der etwas ungelenke Jongsu betrachtet diesen Tanz, sondern auch Ben, sein Widersache­r im Kampf um Haemi: reicher, besser aussehend und deutlich selbstbewu­sster. Dieser

Tanz ist ein stiller Höhepunkt in einem ungewöhnli­chen Film über unseren Wunsch zu gefallen, über den Umgang mit dem Begehren und der Wut.

Mühsames Date

Zu Beginn von Lee ChangDongs auf vielen Festivals ausgezeich­netem Film irrt Jongsu als Lieferjung­e durch die Straßen Seouls, wo er schließlic­h vor einer Ladenzeile an einem

Mädchen vorbeikomm­t, das Lose an Passanten verkauft. Sie stellt sich ihm als seine Grundschul­freundin Haemi vor und die beiden verbringen ein mühsames Date miteinande­r, an dessen Ende sie ihn aber bittet, ihre Katze zu füttern, während sie durch Afrika reist.

Der erfolglose Jungautor willigt ein und verbringt in ihrer Abwesenhei­t einige Zeit in Haemis Wohnung. Als er sie schließlic­h nach Wochen am

Flughafen abholt, ist da plötzlich ein anderer Mann: Ben, von „Walking Dead“-Star Steven Yeun herausrage­nd zwischen charmant und sinister angelegt. Er ist ein reicher, westlich angehaucht­er Erbe mit dickem Porsche, ein „Gatsby“aus Südkorea, wie Jongsu trocken kommentier­t.

Die entstehend­e Dreiecksbe­ziehung ist angemessen unangenehm und gerät spätestens dann aus dem Gleichgewi­cht, als nach dem Besuch in

Jongsus herunterge­kommenem Haus im Niemandsla­nd Haemi plötzlich verschwind­et.

Vieles bleibt ungefähr

Bis kurz vor ihrem konvention­ellen Ende widersteht die Geschichte vielen eingeübten Sehgewohnh­eiten. Eine große Stärke des Films ist es, dass er vieles im Ungefähren lässt: Ist Haemi wirklich eine alte Freundin? Und gibt es ihre Katze wirklich?

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BILD: --- Jongsu (Yoo Ah-in) kehrt in „Burning“nach dem Ende seines Studiums in das Dorf seiner Eltern zurück und ist dort erstmal auf sich allein gestellt. Er träumt davon, eines Tages einen Roman zu schreiben.

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