Raymond Chandler: Der lange Abschied (1953)
Wie dieser Autor darauf verfiel, ausgerechnet Kriminalromane zu schreiben, ist erwähnenswert: Raymond Chandler, der sich in diversen Berufen versucht hatte, hielt
Und so verlagert er nicht nur das Verbrechen aus britischen Landhäusern auf die Straßen von Los Angeles, er überlässt die Aufklärung auch nicht Amateurdetektiven, sondern erfindet einen Profi namens Philip Marlowe, der sich mit einem ganz eigenen Gefühl für Gerechtigkeit durch die Unterwelt schlägt.
Die Sprache, die Chandler seinem Ich-Erzähler in den Mund legt, hat bis heute den lesbaren Teil des Genres geprägt. Es scheint fast so, als hätten die wirklichen Gangster ihre Attitüden und ihren
Klaus Modick Bernd Eilert.
Jargon, den Vorlagen Chandlers angepasst. „Hardboiled“ist das Wort, das für seinen Stil erfunden wurde.
Denn darum geht es Chandler, um Handlung weniger. Die Schwächen seiner Konstruktionen – angeblich wusste er manchmal selbst nicht mehr genau, wer wen aus welchen Gründen umgebracht hatte – verzeiht man ihm gern, denn es ist dieser lässig wirkende, dabei sehr genau kalkulierte Umgang mit der Sprache, der die Gattung Kriminalroman erst zu einer literarisch genießbaren gemacht hat.
„Der lange Abschied“ist insofern der beste seiner sieben Romane, als in diesem Fall die Geschichte durchaus schlüssig klingt: Ein alter Freund bittet Marlowe um einen Gefallen, worauf der den Verdächtigen in Sicherheit und sich selbst in Schwierigkeiten bringt. Als Marlowe endlich herausfindet, dass er dem Falschen geholfen hat, zieht er daraus eine bittere Konsequenz. Falls Kriminalromane überhaupt tragisch enden können – dieser Showdown hat das Zeug dazu.
Das Buch: Raymond Chandler: Der lange Abschied (1953). Die Kolumne „Ein Jahrhundert – 100 Bücher“erscheint regelmäßig exklusiv in dieser Zeitung.