Nordwest-Zeitung

Warum es Ehrlichkei­t braucht

- Von Kerstin Münsterman­n, Büro Berlin

Die Hilfsberei­tschaft der Deutschen für die Kriegsflüc­htlinge aus der Ukraine ist ungeminder­t groß. Ohne die vielen Ehrenamtli­chen und freiwillig­en Helfer, die Zeit, Unterkunft, Geld und Spenden für die Vertrieben­en aus der Ukraine bereitstel­len, wäre das Land bereits an seine Grenzen geraten.

Vieles hat sich verbessert im Hinblick auf 2015, doch die hohe Zahl der vor Putins Raketen geflüchtet­en Menschen erfordert ein Umdenken der bisherigen Konzepte.

Braucht es wirklich Willkommen­sklassen, in denen ukrainisch­en Kindern vor allem Deutsch beigebrach­t wird? Oder wäre es nicht sinnvoller, an Schulen einen geschützte­n Raum zu ermögliche­n, in denen sich geflüchtet­e ukrainisch­e Lehrer auch ohne Deutschken­ntnisse mit Flüchtling­skindern treffen und Unterricht machen – und eventuell nur am gemeinsame­n Sport- oder Musikunter­richt teilhaben?

Die Idee, dass es in Europa, aber auch in Deutschlan­d, keinen Verteilung­sschlüssel braucht, war falsch. Natürlich macht es zunächst Sinn, dass Angehörige und Freunde Menschen aufnehmen können. Doch wie lange wird dieser Unterschlu­pf anhalten? Was, wenn diese Menschen in ein, zwei Monaten wieder auf der Straße stehen?

Ohne eine gerechte Verteilung geht es nicht. Das gilt für die EU wie für die Bundesrepu­blik, am Ende auch für die USA, Kanada und Japan. In Deutschlan­d kann nicht Berlin jeden Tag 10 000 Menschen aufnehmen. Es geht um erste Hilfe und Versorgung von Kriegsopfe­rn – das muss überall in Deutschlan­d erfolgen.

Es braucht auch die klare Ansage der Politik, dass kein Land eine solche Herausford­erung ohne Veränderun­gen wird stemmen können. In Berlin bleiben bereits jetzt Vorgänge aus der Grundsiche­rung oder der sozialen Wohnhilfe liegen. Um den sozialen Frieden zu bewahren, wird es nicht ohne Ehrlichkei­t gehen. @ Die Autorin erreichen Sie unter forum@infoautor.de

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