Mariupol versinkt in Verzweiflung
Russische Armee umzingelt ukrainische Hafenstadt – Behörden sprechen von Tausenden Toten
Mariupol/Kiew – Von Rauch verkohlte Häuserskelette, zertrümmerte und ausgebrannte Autos und geplünderte Geschäfte – in der umkämpften ukrainischen Hafenstadt Mariupol breitet sich das Grauen aus. Die Bilder der bombardierten Geburtsklinik und des zerstörten Stadttheaters sind allgegenwärtig. Zu Tausenden harren Menschen im Lärm von Detonationen in ihren Kellern ohne Strom, Heizung fließend Wasser und oft auch ohne Nahrung aus – in Angst um ihr Leben.
Wer kann, der flieht. Doch das ist gefährlich. Und immer mehr Bürger aus Mariupol, die dem Grauen entkommen sind und wieder Zugang zu Strom und Internet haben, veröffentlichen bei Telegram Handyvideos von den schweren Zerstörungen in der Industriestadt am Asowschen Meer. „Mein Haus brennt, alle zwölf Etagen“, sagte ein Mann, während er das in Flammen stehende Gebäude am Prospekt Mira – der „Straße des Friedens“– filmt. „Kein Leben mehr.“Dann ist nur noch ein tränenersticktes Schluchzen zu hören.
Es gibt Dutzende Aufnahmen in ukrainischen und russischen Medien aus der Stadt, in der einst rund 440 000 Menschen lebten. Jetzt wird die Zahl der Einwohner noch auf etwa 300 000 geschätzt.
Weiße Bändchen am Fluchtkorridor
„Leider hört der Beschuss nicht auf in der Stadt. Es gibt ständig Straßenkämpfe“, informiert der Telegram-Kanal „Mariupol jetzt“am Sonntag
Traumatisierte Kinder, leidgeprüfte Erwachsene: Viele Menschen fliehen vor dem Krieg in der Ukraine, schockiert von den Dingen, die sie gesehen und erlebt haben. In Friedland will man ihnen vor allem eines bieten, erklärt Klaus Siems, der neue Leiter des Grenzdurchgangslagers.
Herr Siems, gerade erst haben Sie als Leiter des Grenzdurchgangslagers Friedland übernommen – hätten Sie sich vorstellen können, direkt mit den Folgen eines Krieges in Europa konfrontiert zu sein? Siems: Ich habe natürlich gehofft, hier einen etwas ruhigeren Start erleben zu dürfen. Aber wir stehen vor großen Herausforderungen. Und wir müssen uns diesen Herausforderungen stellen und versuchen, die Aufgaben, die vor uns liegen, vernünftig abzuarbeiten. Und dazu werde ich meinen Teil beitragen.
Wie ist denn unter den Geflüchteten aus der Ukraine die Stimmung? Viele dürften mit Ängsten und psychischen Problemen zu kämpfen haben – wie bewältigen Sie das? Siems: Wir versuchen die Menschen zunächst einmal zu screenen, wir bieten ihnen aber vor allem eine Unterkunft an, damit sie erst einmal zur Ruhe kommen. Es gilt im Grunde für alle Personen, die bei uns unterkommen: Wenn man diesen Weg hinter sich hat, ist man erst mal froh, wenn man zur Ruhe kommen kann, die neuen Eindrücke auf sich einwirken lässt. Das Aufarbeiten, denke ich, wird später kommen müssen.
Welche Rolle spielt die CoronaPandemie im Lager? Die Impfquote in der Ukraine ist schließlich geringer als hier. Siems: Einen Corona-Ausbruch kann ich derzeit nicht bestätigen, wir haben aber durchaus Personen separiert. Alle Neuankommenden werden wir testen, und aufgrund der Tests wird entschieden, ob separiert wird oder nicht. Wir bieten darüber hinaus auf dem Gelände Corona-Impfungen an. Wir haben derzeit einen relativ kurzen Verbleib hier auf dem Gelände, und ob ein Impfangebot gleich am ersten Tag nach der Ankunft sein muss, hängt auch von der betreffenden Person selbst ab, die zu uns kommt.