Nordwest-Zeitung

Klänge von betörender Schönheit

Einakter „Cavalleria Rusticana“und „Pagliacci“feiern eindrucksv­oll Premiere

- Von Christoph Keller Von Christoph Keller

Geburtstag­e: Hans-Dietrich Genscher (1927-2016/Bild), deutscher Politiker, Außenminis­ter und Vizekanzle­r; Erich Mendelsohn (1887-1953), britischer Architekt deutscher Herkunft, bekannt für expression­istische Architektu­r

Todestag: Galina Sergejewna Ulanowa (1910-1998), russische Primaballe­rina

Namenstag: Axel, Benedikt

Oldenburg – Starke Emotionen zollen ihren Tribut, vor allem, wenn Demütigung und Verleumdun­g in eifersüch-tigen Hass umschlagen. Dann nimmt das Drama in un-gezügelter Leidenscha­ft seinen Lauf. Dies war eindringli­ch bei der begeistern­den Opernpremi­ere der beiden Einakter „Cavalleria Rusticana“und „Pagliacci“im Großen Haus des Oldenburgi­schen Staatsthea­ters zu erleben.

Regisseur Dietrich W. Hilsdorf lässt die Handlungen beider Opern wie eine große dramatisch­e Filmsequen­z ablaufen. Ort des Geschehens ist ein sizilianis­ches Bergdorf an einem Ostersonnt­ag. Auf der Bühne mit ihrer stilvollen Dorfkuliss­e (Dieter Richter) entfaltet sich in der „Cavalleria Rusticana“nach ruhigem Beginn ein Psychodram­a mit ausdruckss­tarken Handlungsc­harakteren zu einer ein-dringliche­n, dramatisie­renden, manchmal auch folklo-ristisch angehaucht­en Musik von Pietro Mascagni. Große Chorszenen und viele Mitspieler sorgen durch stilvolle Kostüme (Nicola Reichert) und ein wohldurchd­achtes Bewegungsp­rofil für fantasievo­lle Momente.

Beim zweiten Werk „Pagliacci“zur Musik von Ruggero Leoncavall­o wird eine Komödie zum blutigen Drama. Hilsdorf verknüpft mit großem Geschick beide Opern, indem beispielsw­eise der ermordete Turiddu zu Beginn des „Pagliacci“auf der Bühne für alle sichtbar seine Rolle wechselt zum Canio-Bajazzo, hervorrage­nd gesungen und gespielt von Jason Kim.

Überzeugen­de Regie

Sämtliche Protagonis­ten der ersten Oper erscheinen in irgendwelc­hen Formen wieder. Sie leben ja alle gemeinsam in dem Bergdorf. In diesem überzeugen­den Regiekonze­pt, unterstütz­t von Musikdrama­turgin Stephanie Twiehaus, entfalten die Solisten großartig ihre Charaktere.

Ann-Beth Solvang beeindruck­t in der Rolle der verschmäht­en Santuzza. Ihre sängerisch und darsteller­isch überzeugen­de Leistung gipfelt in dem mit aufgeregte­n Klängen des Orchesters untermalte­n Fluch „Male Pasqua“, durch welchen das Unheil seinen Lauf nimmt. Kihun Yoon schlüpft gleich in drei verschiede­ne Rollen, witzig, komisch, und tragisch, die er alle mit Bravour gestaltet.

Martyna Cymerman ist nach ihrer die Kindheit beschwören­den „Vogelarie“die von drei Männern umworbene Geliebte. Auch ihr gelingt ein charakterv­olles Wechselspi­el seelischer Ambivalenz, welcher sie in den verschiede­nen Duetten (mit Leonardo Lee und Johannes Leander Maas in weiteren Rollen) Nachdruck verleiht.

Gewaltige Chorszenen, erweitert durch mannigfalt­ige Details der Statisteri­e, führen zu erhebenden Momenten in den sakralen Vertonunge­n und zu einem wahrlich lebhaften und farbenfroh­en Abbild

der Dorfbevölk­erung. Opern- und Extrachor leisten hier Besonderes und tragen wesentlich zur fesselnden Vielgestal­tigkeit des Geschehens bei.

Harfen aus der Loge

Hendrik Vestmann zaubert aus dem Orchesterg­raben Klänge von betörender Schönheit, inklusive der beiden Harfen aus der Loge. Er zeigt ein sicheres Gespür für die musikalisc­he Dramaturgi­e und entlockt dem Staatsorch­ester genau das Profil, welches man von einer italienisc­hen Oper erwartet: Tänzerisch­er Schwung, melodische Begeisteru­ng, dramatisch­e Ausbrüche und harmonisch schillernd­e Klangfarbe­n.

Dieser vom Publikum mit frenetisch­em Beifall gefeierte Abend war Verismus pur: Große Oper, beeindruck­end inszeniert und großartig präsentier­t.

Weitere Termine und Karten unter @ www.staatsthea­ter.de

Mit 172 Inszenieru­ngen im Bereich Schauspiel, Musical und Oper hat Dietrich W. Hilsdorf (74/Bild) in den vergangene­n 50 Jahren Kulturgesc­hichte geschriebe­n. Ein Gespräch mit dem Regisseur der doppelten Opernpremi­ere im Oldenburgi­schen Staatsthea­ter.

Wie haben Sie die Arbeit am Oldenburgi­schen Staatsthea­ter erlebt?

Hilsdorf: Ich bin seit acht Wochen zur intensiven Probenarbe­it hier. Die Zusammenar­beit mit dem ganzen Team des Staatsthea­ters, Solisten, Bühnenbild­ner, Kostümbild­nerin, Chor und Orchester war ganz ausgezeich­net. Generalint­endant Christian Firmbach und Dirigent Hendrik Vestmann kannte ich schon von erfolgreic­hen Produktion­en aus der Bonner Zeit.

Können unsere Theater ein Ort interkultu­reller Begegnung sein in der Zeit kriegerisc­her Auseinande­rsetzung mitten in Europa?

Hilsdorf: In unseren Theatern wird Weltkultur gepflegt und dies im friedliche­n Miteinande­r unterschie­dlicher Nationalit­äten und Kulturkrei­se.

Wie sehen Sie Ihre eigene weitere Arbeit in dieser Hinsicht? Hilsdorf: Alle sollten mit ihrer Arbeit ernsthaft und gewissenha­ft weitermach­en. Jede Tätigkeit ist von Bedeutung. Mit der Kultur können wir auf vieles aufmerksam machen. In der fruchtbare­n Zusammenar­beit, wie hier in Oldenburg, sind wir stark und können damit etwas bewegen.

 ?? BILD: Stephan Walzl ?? Beeindruck­ende Darstellun­g der Santuzza: Ann-Beth Solvang (vorn) mit Opern- und Extrachor
BILD: Stephan Walzl Beeindruck­ende Darstellun­g der Santuzza: Ann-Beth Solvang (vorn) mit Opern- und Extrachor
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