Klänge von betörender Schönheit
Einakter „Cavalleria Rusticana“und „Pagliacci“feiern eindrucksvoll Premiere
Geburtstage: Hans-Dietrich Genscher (1927-2016/Bild), deutscher Politiker, Außenminister und Vizekanzler; Erich Mendelsohn (1887-1953), britischer Architekt deutscher Herkunft, bekannt für expressionistische Architektur
Todestag: Galina Sergejewna Ulanowa (1910-1998), russische Primaballerina
Namenstag: Axel, Benedikt
Oldenburg – Starke Emotionen zollen ihren Tribut, vor allem, wenn Demütigung und Verleumdung in eifersüch-tigen Hass umschlagen. Dann nimmt das Drama in un-gezügelter Leidenschaft seinen Lauf. Dies war eindringlich bei der begeisternden Opernpremiere der beiden Einakter „Cavalleria Rusticana“und „Pagliacci“im Großen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters zu erleben.
Regisseur Dietrich W. Hilsdorf lässt die Handlungen beider Opern wie eine große dramatische Filmsequenz ablaufen. Ort des Geschehens ist ein sizilianisches Bergdorf an einem Ostersonntag. Auf der Bühne mit ihrer stilvollen Dorfkulisse (Dieter Richter) entfaltet sich in der „Cavalleria Rusticana“nach ruhigem Beginn ein Psychodrama mit ausdrucksstarken Handlungscharakteren zu einer ein-dringlichen, dramatisierenden, manchmal auch folklo-ristisch angehauchten Musik von Pietro Mascagni. Große Chorszenen und viele Mitspieler sorgen durch stilvolle Kostüme (Nicola Reichert) und ein wohldurchdachtes Bewegungsprofil für fantasievolle Momente.
Beim zweiten Werk „Pagliacci“zur Musik von Ruggero Leoncavallo wird eine Komödie zum blutigen Drama. Hilsdorf verknüpft mit großem Geschick beide Opern, indem beispielsweise der ermordete Turiddu zu Beginn des „Pagliacci“auf der Bühne für alle sichtbar seine Rolle wechselt zum Canio-Bajazzo, hervorragend gesungen und gespielt von Jason Kim.
Überzeugende Regie
Sämtliche Protagonisten der ersten Oper erscheinen in irgendwelchen Formen wieder. Sie leben ja alle gemeinsam in dem Bergdorf. In diesem überzeugenden Regiekonzept, unterstützt von Musikdramaturgin Stephanie Twiehaus, entfalten die Solisten großartig ihre Charaktere.
Ann-Beth Solvang beeindruckt in der Rolle der verschmähten Santuzza. Ihre sängerisch und darstellerisch überzeugende Leistung gipfelt in dem mit aufgeregten Klängen des Orchesters untermalten Fluch „Male Pasqua“, durch welchen das Unheil seinen Lauf nimmt. Kihun Yoon schlüpft gleich in drei verschiedene Rollen, witzig, komisch, und tragisch, die er alle mit Bravour gestaltet.
Martyna Cymerman ist nach ihrer die Kindheit beschwörenden „Vogelarie“die von drei Männern umworbene Geliebte. Auch ihr gelingt ein charaktervolles Wechselspiel seelischer Ambivalenz, welcher sie in den verschiedenen Duetten (mit Leonardo Lee und Johannes Leander Maas in weiteren Rollen) Nachdruck verleiht.
Gewaltige Chorszenen, erweitert durch mannigfaltige Details der Statisterie, führen zu erhebenden Momenten in den sakralen Vertonungen und zu einem wahrlich lebhaften und farbenfrohen Abbild
der Dorfbevölkerung. Opern- und Extrachor leisten hier Besonderes und tragen wesentlich zur fesselnden Vielgestaltigkeit des Geschehens bei.
Harfen aus der Loge
Hendrik Vestmann zaubert aus dem Orchestergraben Klänge von betörender Schönheit, inklusive der beiden Harfen aus der Loge. Er zeigt ein sicheres Gespür für die musikalische Dramaturgie und entlockt dem Staatsorchester genau das Profil, welches man von einer italienischen Oper erwartet: Tänzerischer Schwung, melodische Begeisterung, dramatische Ausbrüche und harmonisch schillernde Klangfarben.
Dieser vom Publikum mit frenetischem Beifall gefeierte Abend war Verismus pur: Große Oper, beeindruckend inszeniert und großartig präsentiert.
Weitere Termine und Karten unter @ www.staatstheater.de
Mit 172 Inszenierungen im Bereich Schauspiel, Musical und Oper hat Dietrich W. Hilsdorf (74/Bild) in den vergangenen 50 Jahren Kulturgeschichte geschrieben. Ein Gespräch mit dem Regisseur der doppelten Opernpremiere im Oldenburgischen Staatstheater.
Wie haben Sie die Arbeit am Oldenburgischen Staatstheater erlebt?
Hilsdorf: Ich bin seit acht Wochen zur intensiven Probenarbeit hier. Die Zusammenarbeit mit dem ganzen Team des Staatstheaters, Solisten, Bühnenbildner, Kostümbildnerin, Chor und Orchester war ganz ausgezeichnet. Generalintendant Christian Firmbach und Dirigent Hendrik Vestmann kannte ich schon von erfolgreichen Produktionen aus der Bonner Zeit.
Können unsere Theater ein Ort interkultureller Begegnung sein in der Zeit kriegerischer Auseinandersetzung mitten in Europa?
Hilsdorf: In unseren Theatern wird Weltkultur gepflegt und dies im friedlichen Miteinander unterschiedlicher Nationalitäten und Kulturkreise.
Wie sehen Sie Ihre eigene weitere Arbeit in dieser Hinsicht? Hilsdorf: Alle sollten mit ihrer Arbeit ernsthaft und gewissenhaft weitermachen. Jede Tätigkeit ist von Bedeutung. Mit der Kultur können wir auf vieles aufmerksam machen. In der fruchtbaren Zusammenarbeit, wie hier in Oldenburg, sind wir stark und können damit etwas bewegen.