Der fast vergessene Gründer-Monarch
Sein Ansehen schwankte von einem Extrem ins andere: Als er im März 1888 im Alter von 90 Jahren starb, wurden Hunderte Denkmäler in Deutschland für Kaiser Wilhelm I. errichtet.
Ganz anders das Ansehen Wilhelms, dessen Geburtstag sich am 22. März zum 225. Mal jährt, in der Mitte des 19. Jahrhunderts: Als der damalige Prinz von Preußen während der Märzrevolution von 1848 ein knallhartes militärisches Vorgehen gegen die demokratische Revolution forderte, wurde er von den Berlinern als „Kartätschenprinz“geächtet.
Nur zweiter Sohn
Als zweiter Sohn des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III. war Wilhelm als Thronanwärter nicht vorgesehen. Von klein auf erhielt der Mann, der dann doch 30 Jahre über Preußen herrschte und 17 Jahre als Deutscher Kaiser fungierte, eine strenge militärische Erziehung. Als Offizier nahm er an den Kriegen gegen Napoleon teil und erklomm die militärische Karriereleiter bis hinauf zum Generaloberst.
Potenzieller Thronfolger wurde Wilhelm, als sein kinderloser älterer Bruder im Jahr 1840 als König Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) die Herrschaft übernahm. Von 1849 bis 1858 regierte er als Generalgouverneur über Westfalen und das Rheinland. Mit Gattin Augusta lebte er in Koblenz – eine prägende Zeit, weil Augusta viele Gelehrte an den Hof lud und zu einer liberalen Wende Wilhelms beitrug.
Nach dem Tode Friedrich Wilhelms IV. wurde Wilhelm
Kaiser Wilhelm I. 1861 preußischer König. In dieser Rolle setzte er starke Akzente: Er berief liberal-nationale Minister und leitete eine Neue Ära in Preußen ein. Gestützt auf Otto von Bismarcks als preußischen Ministerpräsidenten, setzte er gegen den Landtag aber seine Heeresreform durch.
Preußen zuerst
Die Kriege gegen Dänemark 1864 und Österreich 1866 zeigten die neue Stärke der Armee. Noch während des siegreichen Krieges von 1870/71 gegen Frankreich rief Bismarck Wilhelm am 18. Januar 1871 in Versailles zum Kaiser aus – für Wilhelm eine bittere Beförderung, weil er um Preußens Einständigkeit fürchtete und die preußische Krone höher schätzte als die „Schmutzkrone“des Reichs.
Heutzutage ist die Erinnerung an Wilhelm ausgesprochen blass. Wilhelm I. gilt als Nebenakteur, der im Schatten Bismarcks gestanden habe. Dennoch hat Wilhelm I. Weichen für Deutschland gestellt. Dazu zählten die Beseitigung des reaktionären Regimes in Preußen und der Durchbruch des Liberalismus, aber auch sein umfassendes Aufrüstungsprogramm, das die militärische Schlagkraft Preußens massiv erhöhte und ein Schlüssel für die Einheit war.