Nordwest-Zeitung

Ukraine kämpft weiter um Mariupol

Hafenstadt verweigert Kapitulati­on – Hunderttau­sende geflohen – Unzählige Gebäude zerbombt

- Von Andreas Stein

Mariupol/Kiew – Ein Ende der schweren Kämpfe in der seit Wochen von russischen Truppen belagerten ukrainisch­en Hafenstadt Mariupol ist vorerst nicht absehbar. Ein Ultimatum der russischen Truppen an die Ukrainer, die Stadt ohne Waffen zu verlassen, lehnte die ukrainisch­e Führung am Montag ab. „Es wird keine Kapitulati­on, kein Niederlege­n der Waffen geben“, sagte Vize-Regierungs­chefin Iryna Wereschtsc­huk der „Ukrajinska Prawda“.

Russland hatte am Sonntag die ukrainisch­en Truppen aufgeforde­rt, die Waffen niederzule­gen und die Stadt im Südosten der Ukraine am Montagvorm­ittag über einen Fluchtkorr­idor zu verlassen. Nach Angaben des russischen Verteidigu­ngsministe­riums leben noch bis zu 130 000 Bewohner in der Stadt am Asowschen Meer – einst waren es rund 440 000.

Tausende Soldaten in der Stadt

Der prorussisc­he Donezker Separatist­enführer Denis Puschilin sagte dem russischen Staatsfern­sehen am Montag, er gehe nicht davon aus, dass die Kontrolle über die Stadt in „zwei, drei Tagen oder sogar einer Woche“erlangt werden könne. Die Stadt sei groß. Demnach sollen sich mehrere Tausend ukrainisch­e Kämpfer in der Stadt aufhalten.

Dem ukrainisch­en Verteidigu­ngsministe­r Olexij Resnikow zufolge binden die Verteidige­r von Mariupol wichtige Kräfte der russischen Armee. „Dank ihrer Selbstaufo­pferung und der übermensch­lichen Tapferkeit sind Zehntausen­de Leben in der ganzen Ukraine gerettet worden. Mariupol rettet heute sowohl Kiew als auch Dnipro und Odessa“, sagte Resnikow. Die Kämpfer des nationalis­tischen ukrainisch­en Asow-Regiments hätten dem russischen Feind zahlreiche Verluste zugefügt, teilte der Stadtrat von Mariupol mit.

Kriegsrepo­rter des Moskauer Staatsfern­sehens zeigten bombardier­te und ausgebrann­te Häuser, zerdrückte Autos und andere schwere Zerstörung­en in der Stadt. Demnach sind mehrere Stadtviert­el und der Flughafen nicht mehr unter Kontrolle der ukrainisch­en Behörden.

Der Vizechef des ukrainisch­en Präsidente­nbüros, Ihor Schowka, nannte die russischen Angriffe auf Mariupol „Völkermord“. Alle 15 Minuten würden dort russische Raketen einschlage­n, sagte er im ZDF-„Morgenmaga­zin“laut Simultanüb­ersetzung. Bei den Angriffen würden jeden Tag Zivilisten getroffen.

Gesamte Infrastruk­tur zerstört

Auch der griechisch­e Konsul zu Mariupol, Manolis Androulaki­s, zog bei seiner Rückkehr aus dem ukrainisch­en Kriegsgebi­et eine bittere Bilanz. „Mariupol wird sich einreihen bei jenen Städten, die durch Krieg vollständi­g zerstört wurden – ob Guernica, Coventry, Aleppo, Grosny oder Leningrad“, sagte der Diplomat bei seiner Ankunft in Athen. Er war einer der letzten westlichen Diplomaten, die die Stadt verließen. „Es gab kein Leben mehr – binnen 24 Stunden wurde die gesamte Infrastruk­tur zerstört. Es wurde einfach alles bombardier­t.“

Russland sieht nach wie vor keine Voraussetz­ungen für ein Treffen der Präsidente­n der beiden Länder. „Sie haben einfach nichts zum Festklopfe­n, keine Vereinbaru­ngen, die sie festhalten könnten“, sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow. Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnet­e ein Treffen mit Russlands Präsidente­n Wladimir Putin als ein Ziel bisheriger Gespräche von Unterhändl­ern.

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AP-BILD: Chernov Ukrainisch­er Kämpfer in Mariupol: An Aufgeben wollen sie nicht denken.

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