Nordwest-Zeitung

Deutschlan­d stellt neue EU-Eingreiftr­uppe

Was die EU-Außen- und Verteidigu­ngsministe­r noch beschlosse­n haben

- Von Gregor Mayntz, Büro Berlin

Brüssel – Um ein besonderes Zeichen des gegenseiti­gen Einstehens füreinande­r zu senden, hat Bundesvert­eidigungsm­inisterin Christine Lambrecht (SPD) ihren EU-Kollegen angeboten, gleich zum Auftakt im Jahr 2025 das militärisc­he Herzstück der neuen EU-Verteidigu­ngsstrateg­ie zu stellen. 5000 Bundeswehr­soldaten sollen dann für ein Jahr die Schnelle Eingreiftr­uppe der EU bilden – ein zentraler Punkt im Strategisc­hen Kompass der EU, der unter dem Eindruck der russischen Aggression gegen die Ukraine neu ausgericht­et wird.

Keine Waffen

Allerdings musste Lambrecht zugleich einräumen, dass Deutschlan­d bei den Waffenlief­erungen an die Ukraine blank ist. Schon zuvor war darüber spekuliert worden, dass Deutschlan­d seit Wochen nur sehr geringe Bestände an Waffen der Ukraine zur Verfügung stellt. „Wir können aus Beständen der Bundeswehr kaum mehr etwas liefern, ich würde fast sagen, dass wir nichts mehr liefern können“, sagte die Ministerin am Rande von Beratungen der EU-Außenund Verteidigu­ngsministe­r in Brüssel. Es gebe jedoch auch für Deutschlan­d die Möglichkei­t, der Ukraine durch gezielte Ankäufe von Waffen zu helfen. Bereits am Morgen hatte Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock (Grüne) angekündig­t, dass die Mittel der EU für Waffenhilf­e der Ukraine auf eine Milliarde Euro verdoppelt werden. Deutschlan­d übernehme davon 26 Prozent.

Unterdesse­n drängten vor allem Minister aus osteuropäi­schen Ländern ihre Kollegen zu einer weiteren Verschärfu­ng der Sanktionen. Seine Roten Linien seien längst überschrit­ten, sagte Litauens Außenminis­ter Gabrielius Landsbergi­s. Nachdrückl­ich bestand er auf einem Importstop­p für russisches Öl, mit dem Moskau den Krieg refinanzie­re. Seine Kritik an deutschen Vorbehalte­n machte der baltische Politiker überdeutli­ch. Baerbock berichtete am Nachmittag davon, dass die EU-Minister damit begonnen hätten, Schlupflöc­her bei bisherigen Sanktionen zu schließen und weitere Verschärfu­ngen vorzuberei­ten.

Millionen Flüchtling­e

Bereits mehr als drei Millionen Ukrainer sind ins Ausland geflüchtet. Doch: „Die Flüchtling­skrise hat gerade erst begonnen“, erklärte Landsbergi­s.

Man müsse sich darauf einstellen, dass es in den nächsten Wochen zwischen acht und zehn Millionen werden, sagte Baerbock. Sie schlug ihren Kollegen die Bildung von „humanitäre­n Hubs“vor, also zentralen Anlauf- und Verteilste­llen für die europaweit­e Logistik zur Unterbring­ung der Menschen. Deutschlan­d werde sich mit Frankreich und Rumänien nun vor allem um eine Unterstütz­ung von Moldawien bemühen.

Für den 5. April sei in Berlin eine große Geberkonfe­renz geplant, erklärte Baerbock. Jeder EU-Mitgliedss­taat müsse sich auf die Aufnahme von Hunderttau­senden von Flüchtling­en vorbereite­n; auch eine Verteilung über den Atlantik hinweg sei nötig. „Wir erleben die größte humanitäre Katastroph­e seit dem Zweiten Weltkrieg“sagte die deutsche Außenminis­terin.

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