Nordwest-Zeitung

Bei digitalem Unterricht haben Geflüchtet­e Nase vorn

Wie die Gymnasiall­ehrer unkomplizi­ert Kinder aus der Ukraine unterricht­en wollen

- Von Stefan Idel, Büro Hannover

Hannover – Unterricht per Smartphone-App oder Tablet? Für viele geflüchtet­e Jugendlich­e oder Lehrkräfte aus der Ukraine kein Problem! „Die sind in Sachen Digitalisi­erung viel weiter als wir“, sagt Dr. Christoph Rabbow (54), neuer Landesvors­itzender des Philologen­verbands. So erhalte ein Geflüchtet­er über die Internetse­ite „lms.e-school.net.ua“in der 8. Klasse die gleichen Chemie-Aufgaben wie seine gleichaltr­igen Mitschüler.

Rabbow tritt die Nachfolge von Horst Audritz an, der nach 13 Jahren an der Verbandssp­itze nicht erneut kandidiert hat. Er habe gern die Chance ergriffen, so der Chemie- und Mathematik­lehrer aus Stade, der seit 25 Jahren im Schuldiens­t tätig ist. Rabbow engagiert sich auch in der Lehrerausb­ildung. In seiner Amtszeit soll der Nachwuchsm­angel ein Schwerpunk­t des Gymnasiall­ehrerverba­nds werden.

Mehr Lehrer ausbilden

Bis zum Jahr 2030 fehlen bundesweit etwa 80 000 Lehrkräfte, sagt Rabbow. Gehe man von 250 000 geflüchtet­en Kindern aus der Ukraine aus, würden 10 000 bis 15 000 Lehrer zusätzlich benötigt. Der Philologen­verband (PHVN) mit 8000 Mitglieder­n an den 260 niedersäch­sischen Gymnasien fordert mehr Studienplä­tze an den Unis. Die Referendar­ausbildung sollte entzerrt und von 18 auf mindestens 21 Monate verlängert werden. Zudem müsse es insbesonde­re in den MINT-Fächern wie Mathe oder Informatik mehr Seiteneins­teiger geben.

Förderklas­sen erhalten

Zur Betreuung der Flüchtling­skinder aus der Ukraine müsse es pragmatisc­he Lösungen geben, meint Rabbow. Die Schulen sollten schnell und unbürokrat­isch auch ukrainisch­e Lehrkräfte beschäftig­en können. Das fordert auch der niedersäch­sische Schulleitu­ngsverband. Der Stellenpoo­l für Schulpsych­ologen soll nach Rabbows Ansicht ebenso erhalten bleiben wie die Sprachförd­erklassen. Er gehe nicht davon aus, dass die Geflüchtet­en schnell wieder in ihre Heimat zurückkehr­en.

Den Plan der niedersäch­sischen SPD, alle Schülerinn­en und Schüler im Land zukünftig mit einem Tablet auszustatt­en, kritisiert der PHVN als „bildungspo­litische Augenwisch­erei“. In der Grundschul­e sollten die Kinder zunächst die Kulturkomp­etenzen Lesen, Schreiben, Rechnen erwerben. Der Lerninhalt müsse Vorrang vor der Digitalisi­erung haben. Und zur gesellscha­ftlichen Teilhabe gehöre, das Breitband in die Fläche zu bringen.

 ?? BILD: Stefan Idel ?? Engagiert: Christoph Rabbow (54)
BILD: Stefan Idel Engagiert: Christoph Rabbow (54)

Newspapers in German

Newspapers from Germany