Erste Schritte in ein neues Leben
Geflüchtete haben bereits Arbeit in Aussicht – Haus für mehrere Familien
Erst vor wenigen Monaten war Theobalds Kollegin für eine Routineuntersuchungen mit Zahnreinigung beim Zahnarzt. Als der Arzt im Anschluss zur Kontrolle in das Behandlungszimmer kam, fragte er die Frau, ob sie mit dem Backenzahn Probleme habe, was sie verneinte. Bisher hatte sie noch nie Beschwerden gehabt. Kein Karies, keine Löcher und auch eine Zahnspange musste sie als Jugendliche nicht tragen. „Wir behalten das mal im Auge. Da könnte bald eine Füllung nötig werden“, sagte der Arzt. Theobalds Kollegin war sich sehr sicher, dass das nicht eintreffen würde. Aber der Zahnarzt sollte recht behalten. Nur wenige Tage später bemerkte die Frau, dass der Backenzahn beim Zähneputzen etwas empfindlicher als sonst war. Am Zahn ziepte es tatsächlich leicht – mal mehr mal weniger. Schon bald wird sie also wieder auf dem Behandlungsstuhl des Zahnarztes sitzen und dann vermutlich zum ersten Mal eine Füllung kriegen. Immerhin keine Wurzelbehandlung, meint
theobald@NWZmedien.de
Oldenburg – Vor gerade mal zwei Wochen traten Olha und Tatyana mit ihren Kindern die Flucht aus Kiew nach Polen an. Nun wohnen die zwei Familien in einem Haus in Oldenburg und haben sogar schon eine neue Arbeitsstelle gefunden.
Gewinn für Deutschland
„Wir sollten uns in Deutschland mit dem Gedanken anfreunden, dass die Flüchtlinge aus der Ukraine ein großer Gewinn für unser Land sind“, sagt Ralph Butzin, der die Familien bei den ersten Schritten in Oldenburg unterstützt hat. Einige Familien hat er schon von der polnischen Grenze abgeholt und in Oldenburg untergebracht, einige werden noch kommen.
Olha und Tatyana teilen sich mit ihren Kindern nun seit etwa einer Woche ein Haus in Oldenburg, dass Butzin extra zu diesem Zweck angemietet hat. Auch die gebrauchten Möbel hat er besorgt. Es sollen noch zwei weitere Mütter mit ihren Kindern in das Haus ziehen. Dann sind die Bewohner zu zehnt.
Olha und Tatyana sind unglaublich dankbar dafür, dass sie hier und nicht in einem der Camps leben müssen. „Wir haben hier alles, was wir brauchen und sogar noch mehr als das“, sagt Tatyana. Sie hat ein elf Monate altes Baby und einen 17-jährigen Sohn. Die 41Jährige erzählt von der Flucht aus Kiew, die alles andere als einfach war. „Die Züge waren so voll mit Geflüchteten, dass wir auf einer Zugfahrt fünf bis sechs Stunden lang nur stehen konnten. Wir haben an Bahnstationen geschlafen. Und das alles mit einem Baby.“
Sofort helfen
Ralph Butzin sieht in „Safe Houses“(sichere Häuser), wie er sie nennt, die Zukunft für die Flüchtlingskrise. „Die Stadt sollte über freie Wohnflächen recherchieren, um dort Geflüchtete erst einmal unterzubringen. Das könnte auf Dauer sogar günstiger sein, als Flüchtlingscamps mit all dem Personal zu finanzieren“, erklärt er. Der 50-Jährige hat vor kurzem den Verein „Up to help“gegründet. Dieser soll, mit Hilfe anderer Oldenburgerinnen und Oldenburger, dafür sorgen, sofortige, unbürokratische, finanzielle Hilfe für die Geflüchteten zu sichern. „Natürlich wollen die geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer in erster Linie wieder zurück in ihre Heimat, aber solang das nicht möglich ist, brauchen sie jede Hilfe – und das ohne Verzögerung durch Verwaltungsarbeit“, erklärt Butzin.
Arbeit finden
Ziel sei es, sich gegenseitig unter die Arme zu greifen und beizusteuern, was man beisteuern kann, meint Butzin. Beispielsweise habe er bereits einen Friseur gefunden, der den Familien umsonst die
Haare schneiden will, das Olantis in Oldenburg spendiere Familientickets und auch das Klimahaus in Bremerhaven stelle Freikarten zur Verfügung. „Dankbar bin ich auch der Jugendherberge in Oldenburg, die Olha und Tatyana mit ihren Familien spontan aufgenommen hatte, bis das Haus fertig hergerichtet war“, sagt Butzin.
Helfende Hände
Einige Betriebe aus Oldenburg hätten sich sogar schon bereit erklärt, den ukrainischen Familien Arbeit zu geben. So auch der Geschäftsführer vom „Hafenhaus“in Oldenburg, der die beiden Mütter gerne in der Küche oder für den Service einstellen würde. „Wir warten nur noch auf die Steuernummer für Olha und Tatyana und dann können sie sofort dort anfangen, wenn sie wollen“, erzählt Ralph Butzin. Auch andere Firmen freuten sich schon auf helfende Hände. „Ich bin mir sicher, dass noch viel mehr Betriebe in Oldenburg bereit wären, uns zu unterstützen und Arbeitsplätze zu vergeben.“