So mitreißend kann ein Quadrat sein
Würdigung des herausragenden Malers, Farbtheoretikers und Kunstlehrers Josef Albers
Homage to the Square – die Huldigung des Quadrats: Wie mitreißend und inspirierend kann ein rechtwinkliges Viereck sein, dass sich ein Künstler beinahe drei Jahrzehnte lang dieser Form verschrieb?
Josef Albers (1888-1976), ein Pionier der künstlerischen Moderne des 20. Jahrhunderts, ging immer wieder nach demselben Bauplan vor: drei oder vier monochrome, sich überlagernde Quadrate. In den Jahren 1949 bis 1976 schuf er so mehr als 2500 Werke – als Druckgrafiken oder Ge-mälde in Öl auf Leinwand – bei dauerhafter Änderung der Farbinstrumentierung.
Serielles Arbeiten
Albers’ wesentliche Strategie ist das serielle Arbeiten. Auf diese Weise zeigt er, dass es nie nur eine Lösung für ein ästhetisches Problem gibt – ein wesentlicher Grundgedanke der Impressionisten. Dass es keine singuläre Wahrheit mehr gibt, sondern nur noch Versionen, ist Claude Monets bahnbrechende Neuerung. Darum malt Monet einen Heuschober oder die Kathedrale von Rouen in verschiedenen Lichtsituationen.
Beide Künstler verbindet, dass sie Farbe als erstes Gestaltungsmittel ansehen. Ihr wesentlicher Unterschied ist jedoch, dass sich Monets Bilderfolgen auf ein Hauptmotiv konzentrieren ohne weitere narrative Momente. Jedes Werk variiert in Format, Blickrichtung oder den Tageszeiten. Hinzukommt, dass sich die Bilder gegenseitig stützen und erklären.
Nicht so bei Albers malerischen Versuchsanordnungen – diese funktionieren in einer Reihe, verlieren aber auch einzeln nicht an Bedeutung.
Eine weitere Strategie Albers‘ ist die stete Neuanordnung der Farbe: Dem Theoretiker und ehemaligen Bauhaus-Lehrer geht es um das Konzentrat der Form, die Freiheit der Farbe und den Beleg, dass es endlose Gestaltungsmöglichkeiten gibt.
Das einmal gefundene quadratische Prinzip wird zum ausgewogenen Schauplatz für die Farbe. Sie rückt damit endgültig ins Zentrum. Die ineinander geschobenen quadratischen Farbfelder, die zur Mitte hin kompakter werden, steigern die Kraft des Kolorits durch ein bewusst von jeglicher künstlerischen Handschrift befreites System, in dem die Farbtöne gekonnt und mit nahezu wissenschaftlicher Präzision gegeneinander gesetzt sind.
Die Idee Albers’ greift der mexikanische Künstler Jose Dávila (geb. 1974) auf und entwickelt sie weiter. Er gibt der Farbe eine plastische Form und transformiert die Quadratmalerei ins Dreidimen
sionale. Diese neue „Homage to the Square“, die Huldigung an Josef Albers’ Lebenswerk, die auch in der aktuellen Ausstellung des Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg zu sehen ist,
geht über den Ansatz des Zusammenspiels von Farbe und Geometrie hinaus: das Quadrat wird als Phänomen im Raum verortet.
Sehenswerte Schau
Die Schau „Konstruktiv, Konkret, Minimal – Die Sammlung Hupertz“widmet sich noch bis 1. Mai 2022 dem ästhetischen Kern und den Gestaltungsprinzipien gegenstandsloser Kunst. Besucherinnen und Besucher bekommen einen seltenen Einblick in die beeindruckende Privatsammlung des Hamburger Ehepaares Stephan und Birgit Hupertz, das seit den 1960er Jahren gemeinsam zeitgenössische Kunst sammelt.
Für Josef Albers und seine Frau Anni war Kunst „eine große Quelle des Optimismus“. Ein Gefühl, das sie mit dem Sammlerehepaar Stephan und Birgit Hupertz teilen. Für sie manifestiert sich dies in einer großen Wertschätzung der Kunst als Konstante und Quelle der Lebensfreude.