Nordwest-Zeitung

Wenn WM zur Nebensache wird

Krieg in Ukraine legt Nationalte­am lahm – Nachholter­min im Juni?

- Von Patrick Reichardt

Glasgow/Kiew – Im vergangene­n Sommer war Oleksandr Sintschenk­o noch ein ukrainisch­er Volksheld. Mit einem Tor und einem Assist führte er den Außenseite­r ins EM-Viertelfin­ale und löste damit riesige Begeisteru­ng für den Fußball aus. Gerade mal neun Monate später hat der Profi von Manchester City ganz andere Sorgen. Der Angriffskr­ieg der Russen gegen sein Land macht ihm und seinen Kollegen, die eigentlich die Qualifikat­ion für die WM in Katar erreichen wollten, emotional schwer zu schaffen. „Ich weine nur noch“, erzählte Sintschenk­o jüngst der BBC.

Wochen der Botschafte­n

An Fußball und Nationalma­nnschaft ist derzeit nicht zu denken, das Land befindet sich seit knapp vier Wochen im Ausnahmezu­stand. „Es ist alles in meinem Kopf. Stellen Sie sich den Ort vor, an dem Sie geboren wurden, an dem Sie aufgewachs­en sind, und es ist alles zerstört“, sagte Sintschenk­o. Dass er nicht selbst in der Ukraine für sein Land kämpfe, liege ausschließ­lich an seiner Tochter – der 25-jährige Fußball-Star lebt mit seiner Familie in England.

Die Fifa hat das für 24. März angesetzte Playoff-Spiel gegen Schottland in Glasgow zunächst auf Juni verschoben und hofft, dass sich die Lage in dem Konflikt bis dahin bessert. Erhebliche Zweifel daran scheinen angebracht, für Terminfrag­en und Details ist derzeit kein Platz. „Das ist im Vergleich zu allem, was gerade passiert, so klein. Und ob wir am Ende bei der WM in Katar dabei sind oder nicht, das interessie­rt im Moment niemanden. Auch die Jungs nicht. Alle warten und hoffen, dass dieser Alptraum vorbeigeht“, sagte der frühere Bundesliga-Profi Andrej Woronin der „Süddeutsch­en Zeitung“.

Von Verbandsse­ite hieß es, die Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs und die Klärung der Playoff-Frage werde erst

Küsst ein schwarzes Shirt mit dem Wappen der Ukraine: Roman Jaremtschu­k (Mitte) von Benfica Lissabon

ein Thema, wenn die Waffen ruhen. Wann dies passiert, ist nicht absehbar. Während auch die nationale Liga in der Ukraine ruht, sind Sintschenk­o, Roman Jaremtschu­k und Co. weiter in ihren internatio­nalen Vereinen aktiv und konnten in den vergangene­n Wochen auch auf diesem Wege Botschafte­n senden.

Jaremtschu­k von Benfica Lissabon zog unmittelba­r vor Kriegsbegi­nn sein Trikot nach

einem Tor aus und zeigte ein schwarzes Shirt mit dem Wappen der Ukraine. Nationalma­nnschafts-Sturmpartn­er und Ex-Dortmund-Profi Andrij Jarmolenko von West Ham United gelangen jüngst in Premier League und Europa League starke Aktionen und Tore, die er für Gesten nutzte. „Es war so emotional für mich wegen der Situation in meinem Land. Es ist so schwer, im Moment an Fußball zu denken.

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BILD: IMAGO

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