Machtdemonstration ohne „Z“
Russlands Präsident Putin lässt bei Militärparade seine Pläne für Krieg gegen Ukraine offen
Moskau – Die traditionelle Militärparade zum Tag des Sieges über Nazideutschland hätte für Kremlchef Wladimir Putin um einiges bombastischer laufen sollen. Der Oberbefehlshaber, der in der Ukraine einen international geächteten Angriffskrieg führt, nutzt zwar die Waffenschau am Montag zum 77. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg erwartungsgemäß als Machtdemonstration. Weil aber teils dicke Wolken über dem Roten Platz in Moskau hängen, muss eine vielfach geprobte Flugschau mit Kampfflugzeugen abgeblasen werden.
Die Jets sollten am Himmel eigentlich den Buchstaben „Z“bilden, das Symbol für die „militärische Spezial-Operation“, wie der Krieg gegen die Ukraine offiziell genannt wird. Aber für viele bleibt dieser quasi heilige Feiertag des 9. Mai hinter den Erwartungen zurück. In Putins Rede kommt weder die Bezeichnung „militärische Spezial-Operation“vor, noch gibt es auf dem Roten Platz den Buchstaben „Z“auf den Bannern. Er steht unter anderem für „Za Pobedu“– „Für den Sieg“. Aber ein Sieg in der Ukraine ist auch an diesem Tag nicht in Sicht.
Ein Omen
Allerdings bläst Putin auch nicht – wie im Westen befürchtet – zu einer Teil- oder Generalmobilmachung, um mit dem Krieg in der Ukraine voranzukommen. Manche Kommentatoren im Internet lästern, die ausgefallene Flugshow sei ein Omen dafür, dass es insgesamt nicht gut laufe in der Ukraine. Weil auch anderswo bei Paraden in Russland keine Flugzeuge aufsteigen, obwohl das Wetter dort bisweilen ganz gut ist, breiten sich Spekulationen aus.
Putin indes gibt sich in Feierlaune, schüttelt Weltkriegsveteranen auf der Ehrentribüne die Hände. Kaum etwas erinnert noch an seine Vorsicht wegen der Corona-Pandemie. Erstmals wieder nimmt der 69-Jährige auch an einem Marsch des „Unsterblichen Regiments“teil. Dabei tragen Menschen die Fotos ihrer Angehörigen oder Helden, die im Weltkrieg kämpften.
Es ist Putins großes Thema an diesem Tag: der Kampf gegen Nazi-Deutschland und der Sieg. In seiner Rede vor Veteranen und Tausenden Soldaten schlägt er den Bogen zum Krieg in der Ukraine. Viele im Land erwarten, dass er den erklärt – auch, weil der Westen mit den Sanktionen den Druck auf Russland weiter erhöht. Jeder spürt das.
Leise Rede
Ungewöhnlich leise, fast kleinlaut spult Putin aber in seiner Rede ab, was er oft gesagt hat: Schuld an dem Konflikt sei der Westen, allen voran die Nato. Russland habe sich dialogbereit gezeigt, habe Sicherheitsgarantien vorgeschlagen. Es sei deshalb die „notwendige, rechtzeitige und einzig richtige Entscheidung“gewesen, in das Nachbarland einzumarschieren.