Wie Ethel Smyth Musik mit der Zahnbürste dirigierte
Mezzosopranistin Erica Back singt Lieder von Komponistinnen und schreibt fiktive Briefe
Oldenburg – Wer Antonio Vivaldi von Arnold Schönberg unterscheiden kann oder Carl Ditters von Dittersdorf von Igor Strawinski muss nicht per se in den Stand eines großen Musikkenners erhoben werden. Doch wer Pauline Viardot ebenso wenig kennt wie Nadia Boulanger oder Cécile Chaminade, muss sich nicht unbesehen als Musikbanause verunglimpfen lassen.
Aber man sollte offen sein, Werke dieser drei Frauen und komponierender Kolleginnen kennen zu lernen. Das passt: Am 12. Mai (Donnerstag, 20 Uhr) im Kleinen Haus des Staatstheaters.
Musik und Biografie
Die Mezzosopranistin Erica Back singt nicht nur Lieder von sechs Komponistinnen, sie geht auch auf ihre Lebensumstände ein. Spannende Geschichten kommen zum Vorschein, etwa zu Ethel Smyth (1858 – 1944). Die britische Streiterin für Frauenrechte hat neben hundert anderen Werken die Suffragetten-Hymne „The March oft the Women“komponiert. Als sie wegen Steinewerfens aufs Parlamentsgebäude für zwei Monate eingebuchtet wurde, sangen ebenfalls einsitzende Kolleginnen im Gefängnishof die Hymne – und Smyth dirigierte mit der Zahnbürste von ihrer Zelle aus.
Back hat zu dieser und anderen bemerkenswerten Begebenheiten Briefe geschrieben. „Das sind fiktive Briefe, die Musikerinnen an Freundinnen verfasst haben könnten“, erklärt die seit 2019 am Staatstheater engagierte Schwedisch sprechende Finnin. Sie greift die Gedanken nicht aus der Luft. „Der Inhalt spiegelt Ereignisse und Gefühle, er ist auf meine Art wahr“, sagt sie. Beispiel: „Die damals berühmte Sängerin Pauline Viardot (1821 – 1910) hat sehr unter dem frühen Tod ihrer Schwester Maria gelitten, und das lasse ich sie in dem Brief kundtun.“Jeweils nach der Lesung folgen die Lieder, in diesem Fall ist es ein Lamento.
Wirklich gute Musik
Mit dem Liederprogramm, in dem auch Clara Schumann und Rebecca Clarke zu Wort und Musik kommen, hat sie jüngst schon in Finnland gastiert. „Die Entdeckung von Frauen in der Musik ist derzeit in Skandinavien ein richtiger Trend“, beobachtet sie. Man müsse das nicht überwerten, „in der Musik ist das Geschlecht der Urheber weitgehend egal.“Aber eine Situation betrifft viele komponierende Frauen: „Sie wurden zu Lebzeiten durchaus oft gespielt. Cécile Chaminade konnte sogar vom Komponieren leben. Aber die meisten sind dann rasch verschwunden.“Dabei, das wird der Liederabend verdeutlichen, „ist das wirklich gute Musik – das allein war das Kriterium für die Auswahl der Lieder“.