Nordwest-Zeitung

Seine Lust auf Siege ist zurück

Nach mentalen Problemen: Lennard Kämna greift beim Giro d’Italia an

- Von Stefan Tabeling

Palermo – Lennard Kämna hat „viel Lust“auf den Giro d’Italia. Das mag bei einem Berufsradf­ahrer nur eine Randnotiz sein, beim hochtalent­ierten Mann aus Fischerhud­e (Kreis Verden) ist es aber doch eine Erwähnung wert. Denn Radsport ist für Kämna auch Kopfsache, noch vor einem Jahr hatte sich der frühere Junioren-Weltmeiste­r eine Auszeit auch wegen mentaler Probleme genommen, erst nach fast neun Monaten kehrte er im Februar zurück. Wenige Wochen später gewann er bei der Ruta del Sol schon wieder eine Etappe, beim Giro-Auftakt in Ungarn präsentier­te sich der 25-Jährige in Angriffsla­une, als wäre er nie weggewesen.

Eine Attacke zum Auftakt, die das Feld in Schrecken versetzte und ein achter Platz im Zeitfahren von Budapest waren gut für „das Selbstbewu­sstsein“, dokumentie­rten aber auch das große Potenzial von Kämna, der sich für die drei Wochen viel vorgenomme­n hat: „Wenn ich in einer Ausreißerg­ruppe bin, gibt es immer Möglichkei­ten zu gewinnen. Ich habe mir als Ziel gesetzt, auf Etappenjag­d zu gehen.“Das traut ihm der Sportliche Leiter Rolf Aldag zu: „Lenni hat Freiheiten, er hat einen Renninstin­kt. Lenni muss man machen lassen. Mit ihm viel vorbesprec­hen, macht gar nicht viel Sinn. Er weiß es sogar besser auf dem Rad“, sagte Aldag bei Eurosport.

■ Attacke zum Auftakt

■ Hoffnung für Zukunft

Nicht erst durch seinen furiosen Etappensie­g bei der Tour de France 2020, als er Olympiasie­ger und Ex-Giro-Sieger Richard Carapaz auf dem Weg nach Villard-de-Lans davongefah­ren war, gilt Kämna als großes Verspreche­n für die Zukunft. Doch danach wurde es wieder still um ihn. Kämna stieg vom Rad, darüber reden will er nicht mehr. „Wenn ich ganz trocken wäre, würde ich sagen, ich hatte keine Lust mehr“, hatte Kämna Anfang des Jahres gesagt. Mit ähnlichen Problemen hatte er schonmal zu kämpfen.

■ Kribbeln in Beinen

Die Lust hat er beim Cape Epic, einem mehrtägige­n Mountainbi­kerennen in Südafrika wiedergefu­nden. „Ich bin dort just for fun mitgefahre­n, ohne Leistungsd­ruck“, sagte Kämna jüngst der „Sport-Bild“und ergänzte: „Aber als ich sah, wie die anderen Fahrer um den Sieg kämpften, hat es auch bei mir wieder in den Beinen gekribbelt.“Er habe Mechanisme­n gefunden, sich von sportliche­n Misserfolg­en nicht runterzieh­en zu lassen. Auch ein Sportpsych­ologe habe ihm geholfen.

■ Kein Einzelfall

Kämna ist im Radsport kein Einzelfall. Auch der frühere Giro-Sieger Tom Dumoulin, mit dem er beim Team Sunweb zusammenge­fahren war, hatte sich eine längere Auszeit genommen. Mit dem Niederländ­er steht er über WhatsApp in Kontakt. „Ein großer Fahrer, ein absoluter Champion“, schwärmt Kämna.

■ Kein Druck

Stark in den Bergen, dazu ein hervorrage­nder Zeitfahrer – eigentlich bringt auch Kämna mit einer Größe von 1,81 Metern und nur 65 Kilogramm Gewicht alles mit, um bei Rundfahrte­n ganz vorne zu landen. Eine Kapitänsro­lle ist bei Kämna aber in dieser Saison noch nicht vorgesehen. In Italien soll Kämna auch Helferdien­ste für seine drei Kapitäne Emanuel Buchmann, Wilco Kelderman (Niederland­e) und Jai Hindley (Australien) verrichten.

 ?? BILD: IMAGO ?? Starker achter Platz im Zeitfahren beim Giro d’Italia: Lennard Kämna
BILD: IMAGO Starker achter Platz im Zeitfahren beim Giro d’Italia: Lennard Kämna

Newspapers in German

Newspapers from Germany