Den Leidensdruck loswerden
Training der Schließmuskulatur kann vielen Betroffenen helfen
Wildeshausen – Wer immer wieder unter Blähungen mit ungewollten Ausscheidungen und unkontrolliertem Stuhlabgang leidet, lebt nicht nur mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität. Eine andauernde Stuhlinkontinenz sollte auch deshalb von einem Arzt untersucht werden, weil sie sich ohne eine geeignete Therapie verschlimmern und auf Dauer zu einem unangenehmen Begleiter werden kann. Zudem kann die Problematik schwerwiegende Ursachen wie einen Krebs im Bereich des Enddarms bzw. der Schließmuskulatur haben. Ein unkontrollierter Stuhlabgang kann auch die Begleiterscheinung einer neurologischen Erkrankung oder eines chronischen Reizdarms sein.
Meistens sind die Ursachen allerdings deutlich harmloser. „Einerseits sind Kontinenzprobleme eine normale Begleiterscheinung des Alterungsprozesses. Ähnlich wie andere Muskeln wird auch die Schließmuskulatur des Afters mit der Zeit ganz einfach schwächer“, berichtet Dr. Alexander Terzic, Chefarzt der Allgemeinund Viszeralchirurgie im Krankenhaus Johanneum Wildeshausen.
Dazu kann eine vorübergehende oder langsam voranschreitende Stuhlinkontinenz durch zahlreiche andere eher harmlose Faktoren verursacht oder verstärkt werden. Neben den Nebenwirkungen eines Infekts oder von Medikamenten können dazu Unverträglichkeiten gegen Lebensmittel zählen, die zum Beispiel Gluten oder Laktose enthalten.
Stress und Angstgefühle
Weitere mögliche Ursachen sind eine Fistel im Afterbereich oder die Nachwirkungen einer Operation. Auch Stress oder Angstgefühle lösen bei vielen Menschen eine dann zumeist vorübergehende Inkontinenz aus. Oft potenziert sich das Problem durch eine Neigung zur Produktion eines dünnflüssigen Stuhls, für die es etliche Unterschiedliche Gründe geben kann.
Fachgesellschaften gehen davon aus, dass in Deutschland bis zu vier Millionen Menschen mehr oder weniger stark von einer Stuhlinkontinenz betroffen sind, wobei der Anteil bei Frauen höher als bei Männern ist und insgesamt spätestens ab 70 Jahren deutlich ansteigt. Noch deutlich weiter verbreitet ist vor allem im höheren Alter eine Harninkontinenz. Aktuelle Studien zeigen, dass darunter etwa 40 Prozent der Frauen über 80 leiden. Weil es sich für viele Betroffene um ein Tabu-Thema handelt, liegt die Dunkelziffer der nicht erkannten Fälle bei vermutlich viel höher.
Dabei gibt es keinen Grund, sich mit einem hohen Leidensdruck abzufinden, betont Dr. Terzic: „Eine Stuhlinkontinenz lässt sich heute fast immer mit sehr gutem Erfolg behandeln.“Oft bringe schon eine gezielte Therapie der Schließmuskulatur mittels Beckenbodentraining eine klare Besserung. Auch eine moderate Umstellung der Ess- und Ernährungsgewohnheiten sei in vielen Fällen hilfreich.
Gründe aufklären lassen
Wichtig ist insbesondere, dass die Gründe für die Schließmuskelschwäche vom Haus- und/oder Facharzt genau und sicher festgestellt werden, weil nur so eine optimal wirksame Therapie möglich ist. Eine gut bewährte Behandlungsmethode ist abgesehen vom klassischen Beckenbodentraining vor allem das Biofeedback-Training. Mithilfe einer per Hand in den After eingeführten Mini-Sonde werden dabei unter therapeutischer Anleitung gezielt Muskelgruppen des Beckenbodens trainiert, erklärt Dr. Terzic: „Die Patienten lernen damit, wie sie die Schließmuskulatur so an- und entspannen können, dass sie ihre Funktion kontrolliert erfüllen kann.“