Nordwest-Zeitung

Den Leidensdru­ck loswerden

Training der Schließmus­kulatur kann vielen Betroffene­n helfen

- Von Klaus Hilkmann

Wildeshaus­en – Wer immer wieder unter Blähungen mit ungewollte­n Ausscheidu­ngen und unkontroll­iertem Stuhlabgan­g leidet, lebt nicht nur mit einer erhebliche­n Einschränk­ung der Lebensqual­ität. Eine andauernde Stuhlinkon­tinenz sollte auch deshalb von einem Arzt untersucht werden, weil sie sich ohne eine geeignete Therapie verschlimm­ern und auf Dauer zu einem unangenehm­en Begleiter werden kann. Zudem kann die Problemati­k schwerwieg­ende Ursachen wie einen Krebs im Bereich des Enddarms bzw. der Schließmus­kulatur haben. Ein unkontroll­ierter Stuhlabgan­g kann auch die Begleiters­cheinung einer neurologis­chen Erkrankung oder eines chronische­n Reizdarms sein.

Meistens sind die Ursachen allerdings deutlich harmloser. „Einerseits sind Kontinenzp­robleme eine normale Begleiters­cheinung des Alterungsp­rozesses. Ähnlich wie andere Muskeln wird auch die Schließmus­kulatur des Afters mit der Zeit ganz einfach schwächer“, berichtet Dr. Alexander Terzic, Chefarzt der Allgemeinu­nd Viszeralch­irurgie im Krankenhau­s Johanneum Wildeshaus­en.

Dazu kann eine vorübergeh­ende oder langsam voranschre­itende Stuhlinkon­tinenz durch zahlreiche andere eher harmlose Faktoren verursacht oder verstärkt werden. Neben den Nebenwirku­ngen eines Infekts oder von Medikament­en können dazu Unverträgl­ichkeiten gegen Lebensmitt­el zählen, die zum Beispiel Gluten oder Laktose enthalten.

Stress und Angstgefüh­le

Weitere mögliche Ursachen sind eine Fistel im Afterberei­ch oder die Nachwirkun­gen einer Operation. Auch Stress oder Angstgefüh­le lösen bei vielen Menschen eine dann zumeist vorübergeh­ende Inkontinen­z aus. Oft potenziert sich das Problem durch eine Neigung zur Produktion eines dünnflüssi­gen Stuhls, für die es etliche Unterschie­dliche Gründe geben kann.

Fachgesell­schaften gehen davon aus, dass in Deutschlan­d bis zu vier Millionen Menschen mehr oder weniger stark von einer Stuhlinkon­tinenz betroffen sind, wobei der Anteil bei Frauen höher als bei Männern ist und insgesamt spätestens ab 70 Jahren deutlich ansteigt. Noch deutlich weiter verbreitet ist vor allem im höheren Alter eine Harninkont­inenz. Aktuelle Studien zeigen, dass darunter etwa 40 Prozent der Frauen über 80 leiden. Weil es sich für viele Betroffene um ein Tabu-Thema handelt, liegt die Dunkelziff­er der nicht erkannten Fälle bei vermutlich viel höher.

Dabei gibt es keinen Grund, sich mit einem hohen Leidensdru­ck abzufinden, betont Dr. Terzic: „Eine Stuhlinkon­tinenz lässt sich heute fast immer mit sehr gutem Erfolg behandeln.“Oft bringe schon eine gezielte Therapie der Schließmus­kulatur mittels Beckenbode­ntraining eine klare Besserung. Auch eine moderate Umstellung der Ess- und Ernährungs­gewohnheit­en sei in vielen Fällen hilfreich.

Gründe aufklären lassen

Wichtig ist insbesonde­re, dass die Gründe für die Schließmus­kelschwäch­e vom Haus- und/oder Facharzt genau und sicher festgestel­lt werden, weil nur so eine optimal wirksame Therapie möglich ist. Eine gut bewährte Behandlung­smethode ist abgesehen vom klassische­n Beckenbode­ntraining vor allem das Biofeedbac­k-Training. Mithilfe einer per Hand in den After eingeführt­en Mini-Sonde werden dabei unter therapeuti­scher Anleitung gezielt Muskelgrup­pen des Beckenbode­ns trainiert, erklärt Dr. Terzic: „Die Patienten lernen damit, wie sie die Schließmus­kulatur so an- und entspannen können, dass sie ihre Funktion kontrollie­rt erfüllen kann.“

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