„Helikopter-Mutter“Lambrecht
Mitflug von Sohn Alexander juristisch wohl untadelig, aber „politisch instinktlos“
Berlin – Es ist Krieg in der Ukraine, Landtagswahlkampf in Schleswig-Holstein und nur etwa 14 Grad auf der Urlauberinsel Sylt: In einem Regierungshubschrauber brechen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) und ihr 21-jähriger Sohn Alexander am 13. April vom Dienstsitz in Berlin aus nach Norddeutschland auf, um in Stadum dem Bataillon Elektronische Kampfführung 911 – Experten für die elektronische Aufklärung möglicher Gegner – einen Truppenbesuch abzustatten. Am nächsten Tag und nach einer Hotelübernachtung geht es mit Auto und Personenschützern des BKA auf die nahe Insel Sylt.
Als die Details der Reise durch einen Bericht des „Business Insider“fast vier Wochen später bekannt werden, hagelt es Kritik. Es sind nicht nur die hämischen Kommentare im Internet, die sich um den Begriff „Helikopter-Mutter“drehen, der eigentlich einen übergriffig-wohlmeinenden Kontrollzwang in der Erziehung beschreibt.
Abgehoben
Die Opposition im Bundestag wirft Lambrecht „maximale Ungeschicklichkeit“vor. „Das zeugt von mangelndem Fingerspitzengefühl“, sagt der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), in Berlin. Der Vorgang habe „ein Geschmäckle“. „Es gibt Dinge, die sind verboten. Und es gibt Dinge, die macht man einfach nicht.“
Der AfD-Politiker Stephan Brandner kritisierte: „Die Flugbereitschaft der Bundeswehr ist kein Ferienflieger.“Ob selbst gezahlt werde, sei dabei „doch völlig egal“. Der Fall zeige, „wie abgehoben im wahrsten Sinne des Wortes die Bundesregierung ist“.
Das Verteidigungsministerium hatte am Vortag Kritik an der Mitreise des Sohns mit Hinweis auf das Regelwerk zurückgewiesen. Die Ministerin habe den Mitflug in einem Regierungshubschrauber beantragt und „die Kosten gemäß der Richtlinie zu 100 Prozent übernommen“, sagte ein Sprecher. Lambrecht bezahlte 100 Prozent des Preises eines vergleichbaren Linienfluges.
Die Passagierliste lag demnach dem Büro von Staatssekretärin Margaretha Sudhof vor, die Lambrecht aus dem Justizressort mitgebracht hat. Das Büro plant, steuert und veranlasst die Flüge der Regierungsmaschinen. Die Bundeswehr selbst führt nur aus. Schon in ihrer Zeit als Justizministerin in der Großen Koalition habe Lambrecht ihren Sohn auf „insgesamt sieben Auslandsreisen“dabeigehabt, berichtet die „Bild“-Zeitung.
Als Verteidigungsministerin sei Lambrecht anforderungsberechtigt für Luftfahrzeuge der Flugbereitschaft und bestimme die sie begleitenden Personen, „die je nach Bundesinteresse unterschiedliche Kostensätze zu tragen haben“, erklärte ihr Sprecher.
Akzeptabel
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hält den Mitflug für letztlich akzeptabel. „Wenn die Meldungen stimmen, dass alle fälligen Gebühren ordnungsgemäß entrichtet wurden, dann haben sich Ministerin Lambrecht sowie ihr Sohn im Rahmen der Gesetze und der einschlägigen Vorschriften bewegt“, sagte er. „Man mag diesen Vorgang für unsensibel halten.“Man könne aber niemandem sein rechtstreues Verhalten vorwerfen.