Nordwest-Zeitung

Energie wird zu Russlands Waffe

- Von Gregor Mayntz, Büro Berlin

Selten hat das Bild vom „Öl ins Feuer gießen“so gut gepasst wie bei den Reaktionen auf den russischen Angriffskr­ieg gegen die Ukraine. Zu Recht fühlt sich die gesamte EU von dem brutalen und mörderisch­en Bruch aller Regeln durch Putin in der eigenen Friedensor­dnung angegriffe­n. Alles zu unterlasse­n, was den Krieg verlängert, ist deshalb die nächstlieg­ende Reaktion.

Deshalb hat die EU bereits fünf Sanktionsp­akete geschnürt. Beim sechsten droht sich die EU nun zu verheben. Es kommt schon im Entwurf löchrig daher. Sechs Monate bis zum Stopp des Rohöls, acht bis zum Embargo auch der Ölprodukte. Ungarn darf noch zwei Jahre länger einkaufen – und täglich fließen dreistelli­ge Millionenb­eträge für Energie aus der EU nach Moskau. Vor diesem Hintergrun­d tun sich vor allem die EU-Mitglieder mit fast vollständi­ger Abhängigke­it von russischer Energie schwer mit dem Sprung in die Ungewisshe­it. Die Reise von EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen nach Budapest zeigt die reale Gefahr, dass es dieses Mal nicht um die EU-typische Theatralik vor zähen Einigungsr­unden geht, sondern die Einigung selbst auf dem Spiel steht. Die EU-Manager sehen zugleich, dass auch drei weitere Staaten größere Ausnahmen vom Ausstieg wollen.

Im Grunde kann sich Putin also ohne wirkliche Geldsorgen auf die Fortsetzun­g des Krieges konzentrie­ren. Zwar wird die Lieferung von Kohle und Öl perspektiv­isch immer kleiner, doch aktuell steigen die Preise, sodass Moskau nicht weniger, sondern mehr Geld für den Krieg von den Europäern geliefert bekommt. Die Verantwort­lichen in Brüssel geraten zudem zwischen die Fronten: Die Erwartunge­n der Ukraine wachsen, zugleich auch die Befürchtun­gen in den Mitgliedsl­ändern, dass dieses Paket in Russland wenig bewirkt, umso mehr jedoch zu Hause. Mögen mit dem Versiegen des Rohöls aus der „Freundscha­ft“-Pipeline nach Schwedt zunächst nur regionale Engpässe drohen – das Bitumen für den Straßenbau wird danach in ganz Deutschlan­d knapp. Schon verlieren in Brüssel die ersten die Nerven und meinen, dann solle das Embargo eben ohne die Ungarn beschlosse­n werden. Für Putin wäre das die Einladung, die Einigkeit der EU weiter auszuteste­n. Etwa mit dem Stopp von Gaslieferu­ngen.

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