Energie wird zu Russlands Waffe
Selten hat das Bild vom „Öl ins Feuer gießen“so gut gepasst wie bei den Reaktionen auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Zu Recht fühlt sich die gesamte EU von dem brutalen und mörderischen Bruch aller Regeln durch Putin in der eigenen Friedensordnung angegriffen. Alles zu unterlassen, was den Krieg verlängert, ist deshalb die nächstliegende Reaktion.
Deshalb hat die EU bereits fünf Sanktionspakete geschnürt. Beim sechsten droht sich die EU nun zu verheben. Es kommt schon im Entwurf löchrig daher. Sechs Monate bis zum Stopp des Rohöls, acht bis zum Embargo auch der Ölprodukte. Ungarn darf noch zwei Jahre länger einkaufen – und täglich fließen dreistellige Millionenbeträge für Energie aus der EU nach Moskau. Vor diesem Hintergrund tun sich vor allem die EU-Mitglieder mit fast vollständiger Abhängigkeit von russischer Energie schwer mit dem Sprung in die Ungewissheit. Die Reise von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Budapest zeigt die reale Gefahr, dass es dieses Mal nicht um die EU-typische Theatralik vor zähen Einigungsrunden geht, sondern die Einigung selbst auf dem Spiel steht. Die EU-Manager sehen zugleich, dass auch drei weitere Staaten größere Ausnahmen vom Ausstieg wollen.
Im Grunde kann sich Putin also ohne wirkliche Geldsorgen auf die Fortsetzung des Krieges konzentrieren. Zwar wird die Lieferung von Kohle und Öl perspektivisch immer kleiner, doch aktuell steigen die Preise, sodass Moskau nicht weniger, sondern mehr Geld für den Krieg von den Europäern geliefert bekommt. Die Verantwortlichen in Brüssel geraten zudem zwischen die Fronten: Die Erwartungen der Ukraine wachsen, zugleich auch die Befürchtungen in den Mitgliedsländern, dass dieses Paket in Russland wenig bewirkt, umso mehr jedoch zu Hause. Mögen mit dem Versiegen des Rohöls aus der „Freundschaft“-Pipeline nach Schwedt zunächst nur regionale Engpässe drohen – das Bitumen für den Straßenbau wird danach in ganz Deutschland knapp. Schon verlieren in Brüssel die ersten die Nerven und meinen, dann solle das Embargo eben ohne die Ungarn beschlossen werden. Für Putin wäre das die Einladung, die Einigkeit der EU weiter auszutesten. Etwa mit dem Stopp von Gaslieferungen.