Nordwest-Zeitung

Russen nehmen Osten des Landes unter Beschuss

400 Ziele in einer Nacht angegriffe­n – Schwere Kämpfe um Mariupoler Stahlwerk

- Von Stefan Hantzschma­nn

Kiew/Mariupol/Odessa – Während Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock als erstes deutsches Regierungs­mitglied die Hauptstadt Kiew besuchte, standen Teile der Ukraine weiter unter russischem Beschuss. Am 76. Kriegstag gingen die Angriffe vor allem im Osten des Landes weiter.

Prorussisc­he Separatist­en drangen am Dienstag nach Angaben aus Moskau bis an die Verwaltung­sgrenzen des Gebiets Luhansk vor. Dieses Gebiet komplett der ukrainisch­en Kontrolle zu entziehen, ist eines der erklärten Ziele Russlands.

Kleinstadt Popasna, die bis vor Kurzem noch schwer umkämpft war, sei nun „gesäubert“von ukrainisch­en „Nationalis­ten“, sagte der Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums in Moskau, Igor Konaschenk­ow.

Rückzug bei Popasna

Der Luhansker Gouverneur Serhij Hajdaj bezeichnet­e das hingegen als „Fantasie“. Die ukrainisch­en Soldaten hätten sich zwar zurückzieh­en müssen, aber die Russen hätten die Verteidigu­ng keinesfall­s durchbroch­en, schrieb er.

Nach russischen Angaben wurden in der Nacht zu Diensin verschiede­nen Teilen der Ukraine insgesamt mehr als 400 Ziele mit Raketen und Artillerie angegriffe­n. Von unabhängig­er Seite waren diese Angaben nicht überprüfba­r.

Unter anderem soll die Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer mit Hyperschal­lraketen angegriffe­n worden sein. Das Zentrum für Verteidigu­ngsstrateg­ien, eine ukrainisch­e Denkfabrik, teilte am Dienstag mit, ein russischer Überschall­bomber habe drei Hyperschal­lraketen abgefeuert. Bei den Raketenang­riffen wurde ein Mensch getötet und fünf weitere wurden verletzt.

Auch die Kämpfe um das Stahlwerk Asowstal in der südDie ostukraini­schen Hafenstadt Mariupol gingen weiter – nach ukrainisch­en Angaben mit schwerem Beschuss durch russische Truppen. Die ganze Nacht lang sei das Gelände aus der Luft angegriffe­n worden, sagte der Vizekomman­deur des Asow-Regiments, Swjatoslaw Palamar, der Zeitung „Ukrajinska Prawda“. Es gebe viele Schwerverl­etzte. Sie müssten dringend in Sicherheit gebracht werden.

Verschanzt­e Soldaten

Auf dem großräumig­en Stahlwerks­gelände sollen nach ukrainisch­en Angaben immer noch etwa 100 Zivilisten austag harren. Außerdem sollen sich weiterhin viele ukrainisch­e Kämpfer dort verschanzt haben. Nach russischen Angaben soll es sich um etwa 2000 ukrainisch­e Kämpfer handeln.

Nach Einschätzu­ng der UNMenschen­rechtsbeau­ftragten Matilda Bogner sind bei den Kämpfen um Mariupol bereits Tausende Menschen ums Leben gekommen. „Mariupol ist das große schwarze Loch“, sagte Bogner, die Leiterin der Kommission ist, die die Menschenre­chtslage in der Ukraine seit 2014 untersucht. Bislang habe die Sicherheit­slage es nicht erlaubt, die Fälle einzeln zu dokumentie­ren. Daran werde aber gearbeitet.

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