Die „kleine Bundestagswahl“in NRW
Herausforderer Kutschaty gegen Amtsinhaber Wüst – Kanzler Scholz gegen Oppositionschef Merz
Düsseldorf/Berlin – Die CDUSchlappe an der Saar? Längst abgehakt. Das SPD-Desaster in Schleswig-Holstein? Nicht mehr der Rede wert. Der eigentliche Stimmungstest für die Bundespolitik fünf Monate nach dem Antritt der AmpelRegierung von Kanzler Olaf Scholz kommt jetzt erst – am Sonntag in Nordrhein-Westfalen.
Die Wahlen im Saarland und Schleswig-Holstein galten aus Berliner Sicht als Regionalereignisse, die von zwei sehr beliebten Spitzenkandidaten – Anke Rehlinger (SPD) in Saarbrücken und Daniel Günther (CDU) in Kiel – für sich entschieden wurden. Das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen ist da schon ein ganz anderes Kaliber. Mit über 13 Millionen Menschen können dort mehr als vier Mal so viele wie im Saarland und Schleswig-Holstein zusammen einen neuen Landtag wählen. Deswegen spricht man auch von einer „kleinen Bundestagswahl“.
Und die wird richtig spannend. Seit Wochen liefern sich CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst und sein SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
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Dass die Bundespolitik in NRW eine wichtige Rolle spielt, hat vor allem die SPD sichtbar gemacht. Zwei Wochen vor der Wahl präsentierte sie auf den Düsseldorfer Rheinwiesen in Anwesenheit von Parteichef Lars Klingbeil neue Plakate, die ihren Spitzenkandidaten Seite an Seite mit Scholz zeigen. „Gemeinsam für NRW und Deutschland“ist darauf zu lesen. Es ist eine riskante Entscheidung des stellvertretenden Bundeseinem vorsitzenden Kutschaty, im Wahlkampf-Endspurt auf den Kanzler zu setzen. Scholz ist während des Ukraine-Kriegs auf der Beliebtheitsskala abgesackt. In einem WDR-Interview
gab sich Scholz am Donnerstag trotzdem siegesgewiss: „Ich glaube, die SPD hat gerade einen sehr guten Effekt. Sie wird den nächsten Ministerpräsidenten stellen.“
Sollte das nicht klappen, wäre es für ihn der erste zählbare Dämpfer seit seinem überraschenden Triumph bei der Bundestagswahl vor einem guten halben Jahr.
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Ähnlich wichtig ist die Wahl für den neuen CDU-Bundesvorsitzen Friedrich Merz, der in NRW zu Hause ist. Der Sauerländer hat einen neuen Aufbruch und eine Erneuerung der Partei nach dem Desaster bei der Bundestagswahl versprochen. Ginge nun das bevölkerungsreichste Bundesland für seine Partei verloren, könnten intern Zweifel an seinem Kurs aufkommen.
Ein Problem für die CDU: Selbst wenn sie stärkste Partei in NRW wird, könnte sie am Ende als Verlierer dastehen, weil die SPD ein Bündnis mit den Grünen und eventuell zusätzlich mit der FDP schmiedet – also eine Ampel wie im Bund. In der CDU hofft man nun, dass die Grünen an Schwarz/Grün Interesse haben könnten, um ein Zeichen für politische Optionen jenseits der Ampel zu setzen. Die Christdemokraten setzen auch darauf, dass am Ende der Vorsprung vor der SPD so deutlich ausfällt, dass mögliche Partner wie die Grünen auch vor ihren eigenen Leuten kaum vertreten könnten, mit
Wahlverlierer zu regieren.
FDP
Die FDP kommt in den Umfragen durchgehend auf einstellige Werte, hofft aber darauf, von der Diskussion um die Regierungsbildung profitieren zu können. Es mache gerade in NRW einen Unterschied, ob es eine Regierung der Mitte mit einer starken FDP gebe oder eine Regierung, in der die Grünen eine prägende Rolle haben, sagt Parteichef Christian Lindner, der ebenfalls aus NRW stammt.
Linke
Für die Linke droht nach dem Debakel im Saarland (2,6 Prozent) und in Schleswig-Holstein (1,7 Prozent) der nächste Misserfolg. Umfragen sehen die von Querelen, Richtungsstreit und Sexismusvorwürfen zermürbte Partei bei etwa drei Prozent der Stimmen. Parteichefin Janine Wissler spricht von schwierigen Rahmenbedingungen. Die Linke schaffte nur 2010 einmal den Einzug in den NRW-Landtag. „Deshalb kämpft der Landesverband NRW mit aller Kraft um den Einzug, und die ganze Linke kämpft mit“, sagt Wissler. Ob es hilft? Sofortige Konsequenzen hätte eine weitere Niederlage kaum. Die Partei will Ende Juni ohnehin die gesamte Spitze neu wählen.
AfD
Die AfD zeigt sich nach dem ersten Rauswurf aus einem Landtag in Schleswig-Holstein optimistisch, dass ihr das nicht wieder passiert. Es gehe dort weniger um Personen, sondern mehr um Themen, etwa Clan-Kriminalität, heißt es dort. In den Umfragen lag die AfD zuletzt auf jeden Fall über fünf Prozent.