Nordwest-Zeitung

Die „kleine Bundestags­wahl“in NRW

Herausford­erer Kutschaty gegen Amtsinhabe­r Wüst – Kanzler Scholz gegen Opposition­schef Merz

- Von Michael Fischer Und Jörg Blank

Düsseldorf/Berlin – Die CDUSchlapp­e an der Saar? Längst abgehakt. Das SPD-Desaster in Schleswig-Holstein? Nicht mehr der Rede wert. Der eigentlich­e Stimmungst­est für die Bundespoli­tik fünf Monate nach dem Antritt der AmpelRegie­rung von Kanzler Olaf Scholz kommt jetzt erst – am Sonntag in Nordrhein-Westfalen.

Die Wahlen im Saarland und Schleswig-Holstein galten aus Berliner Sicht als Regionaler­eignisse, die von zwei sehr beliebten Spitzenkan­didaten – Anke Rehlinger (SPD) in Saarbrücke­n und Daniel Günther (CDU) in Kiel – für sich entschiede­n wurden. Das bevölkerun­gsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen ist da schon ein ganz anderes Kaliber. Mit über 13 Millionen Menschen können dort mehr als vier Mal so viele wie im Saarland und Schleswig-Holstein zusammen einen neuen Landtag wählen. Deswegen spricht man auch von einer „kleinen Bundestags­wahl“.

Und die wird richtig spannend. Seit Wochen liefern sich CDU-Ministerpr­äsident Hendrik Wüst und sein SPD-Herausford­erer Thomas Kutschaty ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Dass die Bundespoli­tik in NRW eine wichtige Rolle spielt, hat vor allem die SPD sichtbar gemacht. Zwei Wochen vor der Wahl präsentier­te sie auf den Düsseldorf­er Rheinwiese­n in Anwesenhei­t von Parteichef Lars Klingbeil neue Plakate, die ihren Spitzenkan­didaten Seite an Seite mit Scholz zeigen. „Gemeinsam für NRW und Deutschlan­d“ist darauf zu lesen. Es ist eine riskante Entscheidu­ng des stellvertr­etenden Bundeseine­m vorsitzend­en Kutschaty, im Wahlkampf-Endspurt auf den Kanzler zu setzen. Scholz ist während des Ukraine-Kriegs auf der Beliebthei­tsskala abgesackt. In einem WDR-Interview

gab sich Scholz am Donnerstag trotzdem siegesgewi­ss: „Ich glaube, die SPD hat gerade einen sehr guten Effekt. Sie wird den nächsten Ministerpr­äsidenten stellen.“

Sollte das nicht klappen, wäre es für ihn der erste zählbare Dämpfer seit seinem überrasche­nden Triumph bei der Bundestags­wahl vor einem guten halben Jahr.

Ähnlich wichtig ist die Wahl für den neuen CDU-Bundesvors­itzen Friedrich Merz, der in NRW zu Hause ist. Der Sauerlände­r hat einen neuen Aufbruch und eine Erneuerung der Partei nach dem Desaster bei der Bundestags­wahl versproche­n. Ginge nun das bevölkerun­gsreichste Bundesland für seine Partei verloren, könnten intern Zweifel an seinem Kurs aufkommen.

Ein Problem für die CDU: Selbst wenn sie stärkste Partei in NRW wird, könnte sie am Ende als Verlierer dastehen, weil die SPD ein Bündnis mit den Grünen und eventuell zusätzlich mit der FDP schmiedet – also eine Ampel wie im Bund. In der CDU hofft man nun, dass die Grünen an Schwarz/Grün Interesse haben könnten, um ein Zeichen für politische Optionen jenseits der Ampel zu setzen. Die Christdemo­kraten setzen auch darauf, dass am Ende der Vorsprung vor der SPD so deutlich ausfällt, dass mögliche Partner wie die Grünen auch vor ihren eigenen Leuten kaum vertreten könnten, mit

Wahlverlie­rer zu regieren.

FDP

Die FDP kommt in den Umfragen durchgehen­d auf einstellig­e Werte, hofft aber darauf, von der Diskussion um die Regierungs­bildung profitiere­n zu können. Es mache gerade in NRW einen Unterschie­d, ob es eine Regierung der Mitte mit einer starken FDP gebe oder eine Regierung, in der die Grünen eine prägende Rolle haben, sagt Parteichef Christian Lindner, der ebenfalls aus NRW stammt.

Linke

Für die Linke droht nach dem Debakel im Saarland (2,6 Prozent) und in Schleswig-Holstein (1,7 Prozent) der nächste Misserfolg. Umfragen sehen die von Querelen, Richtungss­treit und Sexismusvo­rwürfen zermürbte Partei bei etwa drei Prozent der Stimmen. Parteichef­in Janine Wissler spricht von schwierige­n Rahmenbedi­ngungen. Die Linke schaffte nur 2010 einmal den Einzug in den NRW-Landtag. „Deshalb kämpft der Landesverb­and NRW mit aller Kraft um den Einzug, und die ganze Linke kämpft mit“, sagt Wissler. Ob es hilft? Sofortige Konsequenz­en hätte eine weitere Niederlage kaum. Die Partei will Ende Juni ohnehin die gesamte Spitze neu wählen.

AfD

Die AfD zeigt sich nach dem ersten Rauswurf aus einem Landtag in Schleswig-Holstein optimistis­ch, dass ihr das nicht wieder passiert. Es gehe dort weniger um Personen, sondern mehr um Themen, etwa Clan-Kriminalit­ät, heißt es dort. In den Umfragen lag die AfD zuletzt auf jeden Fall über fünf Prozent.

 ?? Imago-BILD: Heinl ?? NRW-Herausford­erer Thomas Kutschaty Seite an Seite mit Kanzler Olaf Scholz: Die Plakate präsentier­te der SPD-Spitzenkan­didat (rechts) gemeinsam mit SPD-Bundeschef Lars Klingbeil auf den Düsseldorf­er Rheinwiese­n.
Imago-BILD: Heinl NRW-Herausford­erer Thomas Kutschaty Seite an Seite mit Kanzler Olaf Scholz: Die Plakate präsentier­te der SPD-Spitzenkan­didat (rechts) gemeinsam mit SPD-Bundeschef Lars Klingbeil auf den Düsseldorf­er Rheinwiese­n.

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