Flüchtlingskinder brauchen Halt
Innenministerin Nancy Faeser sieht Kommunen wegen Kriegs gefordert
Frau Faeser, es gab Befürchtungen, dass der Krieg in der Ukraine die größte Fluchtbewegung in Europa seit dem 2. Weltkrieg auslöst. Wie schätzen Sie die Lage derzeit ein? Faeser: Es bleibt eine große humanitäre Kraftanstrengung, die geflüchteten Frauen, Kinder und alten Menschen bestmöglich zu versorgen. Aber pro Tag kommen derzeit nur noch ungefähr 2000 Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland an. Mitte März waren es noch 15 000 Menschen täglich. Über die polnisch-ukrainische Grenze kehren inzwischen täglich 20000 Geflüchtete zurück in ihr Land, darunter sind auch Menschen, die aus Deutschland zurückkehren. Daran sieht man, wie groß der Wunsch zur Rückkehr ist. Viele Familien wurden zerrissen. Viele waren gezwungen, ihre Ehemänner, ihre Väter, ihre erwachsenen Söhne in der Ukraine zurückzulassen.
Was folgt daraus für die Integration?
Faeser: Ich gehe davon aus, dass die Mehrheit wieder zurückkehren wird. Ein Teil wird bleiben, wenn die Menschen die Chance sehen, mit ihrer Qualifikation auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die größte Herausforderung liegt momentan bei den Städten und Gemeinden in der Integration in Schulen und Kitas. Wir müssen uns immer vor Augen führen, dass 40 Prozent aller Geflüchteten Kinder sind. Für Kinder sind Alltagsstrukturen in Schulen und Kitas ungeheuer wichtig.
Befürchten Sie, dass die Stimmung noch kippt? Faeser: Wir haben unverändert eine großartige Hilfsbereitschaft. Darauf bin ich auch stolz. Die Geflüchteten werden hier sehr gut aufgenommen. Zugleich gibt es berechtigte Sorgen bei uns, was schnell steigende Preise etwa für Energie und Lebensmittel angeht. Gerade für Familien sind das enorme Belastungen. Deswegen haben wir zwei Entlastungspakete beschlossen. Und besonders wichtig sind echte Verbesserungen für Menschen mit kleinen Einkommen – wie die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro. Das schafft mehr soziale Gerechtigkeit und stärkt den sozialen Frieden in unserem Land.
Wie geht es mit dem Aktionsplan gegen rechts voran? Faeser: Mit diesem Aktionsplan zeigen wir, dass wir nicht nur reden, sondern tatsächlich handeln. Wir haben schon jetzt große Erfolge im Zerschlagen rechter Netzwerke, etwa mit dem harten Vorgehen gegen Nachfolgegruppen von Combat 18. Auch diemutmaßliche Terrorgruppe, die Anschläge auf unser Stromnetz und die Entführung Karl Lauterbachs geplant hat, haben unsere Sicherheitsbehörden sehr schnell und konsequent aufgedeckt. Besonders am Herzen liegt mir der verstärkte Kampf gegen Antisemitismus, wo wir erschreckende Anstiege sehen. Zudem müssen wir Kommunalpolitikerinnen und -politiker besser vor Übergriffen schützen, mit festen Ansprechpartnern bei der Polizei vor Ort und mit guten Schutzkonzepten.