Das Ende der Funkstille
Warum Kanzler Scholz und Präsident Putin jetzt wieder miteinander telefonieren
Berlin/Moskau – Nach mehr als sechs Wochen Funkstille hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesprochen. In einem 75-minütigen Telefonat am Freitagvormittag forderte der SPD-Politiker einen schnellen Waffenstillstand im UkraineKrieg, die Verbesserung der humanitären Lage im Kriegsgebiet und Fortschritte bei der Suche nach einer diplomatischen Lösung des Konflikts, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit mitteilte. Nach Angaben des Kremls kam das Gespräch auf deutsche Initiative zustande. Es sei vereinbart worden, die Diskussion „auf verschiedenen Kanälen“fortzusetzen.
Letztes Gespräch vor Butscha-Massaker
Scholz hatte nach Beginn des Krieges in der Ukraine mehrfach mit Putin telefoniert, zuletzt am 30. März. Wenige Tage später wurde das Massaker im Kiewer Vorort Butscha bekannt. Danach gab es zunächst keinen Kontakt mehr. In einem vergangene Woche veröffentlichten „Stern“-Interview hatte Scholz gesagt: „Wenn es etwas zu bereden gibt, werde ich den Kontakt wieder aufnehmen. Unsere Priorität ist klar: Die Kriegshandlungen müssen sofort beendet werden.“
Hebestreit begründete den jetzigen Vorstoß des Kanzlers mit den Worten: „Man muss natürlich an irgendeinem Punkt dazu kommen, dass es auch wieder diplomatische Initiativen geben muss.“Ziel sei es, „diesen furchtbaren Krieg mit schrecklichen Zahlen von Opfern, viel Zerstörung und auch der ganzen Sinnlosigkeit, die ein Krieg mit sich bringt, einem Ausweg zuzuführen“. Hebestreit betonte, dass das Telefonat mit Putin „im Nachgang“zu Scholz’ Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch stattgefunden hat.
Aus dem Kreml hieß es zu dem Gespräch, Putin habe „ausführlich“über Russlands Ziele in der Ukraine informiert. Ein Fokus habe auf humanitären Aspekten gelegen. Putin habe Scholz zudem auf „grobe Verletzungen der Normen des internationalen Völkerrechts durch sich zur nazistischen Ideologie bekennende Kämpfer“hingewiesen.
Russland begründet seinen am 24. Februar begonnenen Angriffskrieg gegen das Nachbarland immer wieder mit einer angeblichen „Entnazifizierung“der Ukraine. Experten stufen das als reinen Vorwand
für Moskaus Aggression ein. Scholz wies in dem Telefonat die Nazi-Vorwürfe Putins gegen die Ukraine zurück.
Scholz wartete Putin-Rede ab
Scholz hatte das Telefonat bereits am Morgen im Verteidigungsausschuss des Bundestags angekündigt. Er soll dort darauf verwiesen haben, dass ein Gespräch vor dem 9. Mai noch keinen Sinn gemacht hätte. An diesem Tag hatte Putin seine mit Spannung erwartete Rede bei der
Militärparade zum 77. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg gehalten. Sie fiel weitaus weniger scharf aus als erwartet. Es war befürchtet worden, Putin könnte die Generalmobilmachung ausrufen.
Video soll zeigen, wie russische Soldaten Unbewaffnete erschießen:
Im Krieg in der Ukraine häufen sich die Hinweise auf russische Kriegsverbrechen. In einem Video, das der US-Nachrichtensender CNN veröffentlichte, soll zu sehen sein, wie russische Soldaten zwei dem Augenschein nach unbewaffnete Männer erschießen. Laut CNN entstanden die Aufnahmen am 16. März nahe Kiew. Zu sehen ist, dass zwei Soldaten den beiden Männern, die langsam über das Gelände gehen, in den Rücken schießen. Laut CNN handelte es sich bei den Opfern um Zivilisten.
London verhängt Sanktionen gegen Putins Ex-Frau und mutmaßliche Geliebte:
Die britische Regierung hat gezielte Sanktionen gegen die frühere Ehefrau des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Ljudmila Otscheretnaja, seine mutmaßliche Geliebte Alina Kabajewa und weitere Verwandte sowie enge Verbündete verhängt. Den Angaben des Außenministeriums zufolge lässt sich Putin durch eine „Kabale von Freunden, Familie und Eliten“aushalten, während sein offizielles Vermögen bescheiden ist.
Erdogan sträubt sich gegen Nato-Aufnahme Finnlands und Schwedens:
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich kritisch zu einem Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens geäußert und auf deren Haltung in der Kurdenfrage verwiesen. „Wir verfolgen die Entwicklung sorgfältig, aber wir haben keine positive Meinung“, sagte er am Freitag. Die Türkei hat wie jedes Nato-Mitglied ein Vetorecht gegen die Aufnahme weiterer Staaten in das Bündnis.
Russische Sanktionen weiterhin ohne Auswirkung auf deutsche Gasversorgung:
Die von Russland angekündigten Sanktionen gegen Unternehmen im Energiesektor zeigen weiter keine Auswirkungen auf die Gasversorgung in Deutschland. Nach Angaben der Bundesnetzagentur vom Freitag ist die Versorgung stabil, und die Versorgungssicherheit ist weiter gewährleistet. Durch Sanktionsmaßnahmen ausbleibende Gasmengen würden aktuell in vollem Umfang über den europäischen Gasmarkt beschafft.