Nordwest-Zeitung

Sehnsucht nach Ostfriesla­nd – und wie man sie erzeugt

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Wenn ein neuer Roman erscheint, bekomme ich in den ersten Wochen 250 bis 350 Leserbrief­e täglich. Das ist für mich sehr wichtig.

Ich lese alles. Immer. Meist setzen sich die Menschen in Beziehung zu meinen Romanfigur­en. „Lieber Herr Wolf! Ann Kathrin Klaasen ist meine beste Freundin. Aber Sie kann ich nicht leiden. Warum bringen Sie meine Freundin Ann immer in solche Schwierigk­eiten?“

Nicht immer ist es so lustig. Vielfach erzählen mir die Leserinnen von ihrem Leben, von Unrecht, das ihnen geschehen ist oder von ihren Sehnsüchte­n und Träumen.

Junge Männer identifizi­eren sich mit meinem Kommissar Frank Weller, weil sie die Si

Klaus-Peter Wolf, Bestseller­autor und Verfasser der berühmten Ostfriesla­ndkrimis, schreibt jede Woche für unsere Zeitung auf, was ihm als WahlOstfri­esen an Norddeutsc­hland so sehr gefällt.

tuation der Patchwork-Familie kennen und wie es ist, mit einer starken Frau zusammenzu­leben.

„Seit ich Rupert kenne, weiß ich erst, wie toll mein Mann wirklich ist“, schrieb mir eine Leserin. Das hat sich wohl auch bei vielen Männern herumgespr­ochen. Immer wieder berichten Buchhändle­rinnen, Männer würden für ihre Frauen Rupert Undercover

In den Briefen und Emails identifizi­eren sich Leserinnen und Leser mit Romanfigur­en und fordern bestimmte Entwicklun­gen ein.

„Beate soll sich endlich von Rupert scheiden lassen.“

„Ann soll sich mehr um ihren Sohn kümmern.“

Seit ich diese Kolumnen schreibe, bekomme ich viel Post zu Onkel Warfsmann. Er spielt ja oft in den Kolumnen eine Rolle.

Einige behaupten, er sei ein typischer Ostfriese. Andere, er sei untypisch für Ostfriesla­nd.

Aber alle wollen mehr über ihn wissen. In gut der Hälfte der Zuschrifte­n wird ein Buch mit Onkel-Warfsmann-Geschichte­n gefordert. Er wird als weise bezeichnet oder als

Trottel.

Die Menschen reiben sich an ihm.

Viele beneiden mich darum, dass ich so einen Onkel gehabt habe. Wer wünscht sich nicht so einen Unterstütz­er im Leben?

Er hat mich geprägt, indem er immer einfach zu mir gehalten hat. Mit seinen Geschichte­n und Flunkereie­n, von seiner Frau Seemannsga­rn genannt, hat er mich immer wieder aufgebaut.

Er hatte nach eigenen Angaben nur knapp fünf Jahre die Schule besucht, aber wenn ich nicht weiterwuss­te, hatte er immer einen guten Rat für mich.

Er war auf eine erfrischen­d unintellek­tuelle Art klug.

Er hatte angeblich als Seekaufen. mann die ganze Welt gesehen und behauptete, nirgendwo sei es auch nur annähernd so schön wie in Ostfriesla­nd.

Je weiter er von Ostfriesla­nd entfernt lebte, umso schlimmer brannte seine Sehnsucht.

Etwas davon übertrug sich auf mich.

In vielen Briefen, die ich bekomme, steht: „So einen Onkel hätte ich auch gebraucht.“

Onkel Warfsmann repräsenti­ert vielleicht nicht Ostfriesla­nd, wohl aber etwas, das jedes Kind braucht: Die Zuversicht, dass es einen Erwachsene­n gibt, der es gut mit ihm meint.

Alle Kolumnen unter:

@ www.nwzonline.de/mein-ostfriesla­nd

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