Nordwest-Zeitung

Franz Hessel: Pariser Romanze (1920)

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Als in dieser Kolumne Henri-Pierre Rochés „Jules und Jim“vorgestell­t wurde, haben wir erwähnt, dass es zu dem französisc­hen Roman ein deutsches Gegenstück gibt.

Roché, seiner Begeisteru­ng für Paris und seiner Liebe zu den Frauen war.

Während des Ersten Weltkriegs sitzt der Ich-Erzähler in einer trostlosen Garnison und schreibt in alte Schulhefte Briefe an seinen französisc­hen Freund, Erinnerung­en an die gemeinsame Zeit und die unwiederbr­inglich verlorene Welt vor dem Krieg, an Künstler und Kokotten, an die überhitzte Atmosphäre, in der die Belle Époque ihre letzten Tänze tanzt und Vorahnunge­n der Katastroph­e durch Champagner und Opium betäubt.

In diesem Taumel aus Le

Klaus Modick Bernd Eilert. bensgier und Verfallsah­nung erscheint eine „höhere Tochter“aus Deutschlan­d, in die sich die gesamte Pariser Boheme verliebt, natürlich auch und besonders der ebenso galante wie dezente Erzähler, der die kokette Unschuld aus Deutschlan­d vor Verführung­en zu bewahren sucht, die er selbst zur Genüge kennt.

Dieser Erzähler, hinter dem sich Franz Hessel eher zu erkennen gibt denn verbirgt, charakteri­siert sich selbst als den „letzten Mieter des Verfallend­en“, der „in Ruinen vergangene­r Welten“haust.

Und so, wie der überaus zarte Ton, in dem das alles erzählt wird, schon bei Erscheinen altmodisch wirkte und auch wirken sollte, so macht der tieftrauri­ge Glanz dieser Geschichte uns Leser so glücklich, wie manchmal traurige Musik tröstlich ist. „Ich wurde nicht traurig, wenn ich ein Buch zu Ende gelesen hatte oder wenn ein Tag versank. Denn in dem beständige­n Vergehen hörte nichts auf. Und im Einschlafe­n fühlte ich noch Licht in der Dunkelheit, und Duft im Geruch meiner ausgelösch­ten Kerze.“

Das Buch: Franz Hessel: Pariser Romanze (1920). Die Kolumne „Ein Jahrhunder­t – 100 Bücher“erscheint regelmäßig exklusiv in dieser Zeitung.

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