Anspruch und Wirklichkeit
Anspruch und Wirklichkeit klaffen in der Politik häufig auseinander, das deutete sich auch wieder beim G7-Finanzministertreffen in Königswinter an. In doppelter Hinsicht.
Die sieben führenden Industrienationen wollten zum einen die Ukraine mit weiteren Milliarden unterstützen, damit das von Russland überfallene Land im kommenden Vierteljahr seine laufenden Kosten von monatlich fünf Milliarden Euro decken kann. Zum anderen sorgten sich die USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan und Deutschland um die weltweit hohe Inflation. Koordiniert wollen sie dagegen vorgehen – die Notenbanken sollen die Zinsen erhöhen und die Staaten ihre kreditfinanzierten Ausgaben zurückfahren, um die Teuerung nicht noch mehr anzuheizen. Bei der Umsetzung beider Vorhaben gibt es aber Probleme. Auch passen sie nicht zusammen.
Die Ukraine benötigt für die nächsten drei Monate 15 Milliarden Euro, die USA wollen davon die Hälfte übernehmen. Beim Zusammensammeln der anderen Hälfte des Geldes hatte Gastgeber Lindner offenbar etwas Mühe, denn die Partner konnten sich nicht wie er auf eine positive Steuerschätzung stützen. Alle anderen G7-Staaten sind deutlich höher verschuldet als Deutschland. Die Bundesrepublik wird auch deshalb von der besagten Hälfte der Liquiditätshilfe für die Ukraine einen überproportionalen Teil übernehmen. Je länger der Krieg andauern wird und desto klarer sich ein schlechterer Verlauf der Weltkonjunktur abzeichnet, desto schwieriger dürfte es werden, alle westlichen Partner von weiterem Geld für die Ukraine zu überzeugen. Dann könnte es erste Risse geben in der von vielen gepriesenen neuen Einigkeit des Westens und innerhalb der EU.
Die Inflation ist zudem ein Problem, das FDP-Chef Lindner zunehmend innenpolitisch zu schaffen macht. Frühzeitige Inflationsbekämpfung wäre Sache der Europäischen Zentralbank gewesen, doch die hat die Zeichen der Zeit zu spät erkannt. Lindner will nun wenigstens dafür sorgen, dass die Finanzpolitik nicht durch noch mehr kreditfinanzierte Ausgaben die Inflation anheizt.
Dafür hat er sich beim G7-Treffen in Bonn Rückendeckung geholt: Keiner seiner Kollegen plädierte für die Fortsetzung der expansiven Finanzpolitik. Doch zu Hause drücken die Ampel-Parteien SPD und Grüne auf weitere Entlastungen für die Bürger und Einführung der verabredeten neuen Sozialleistungen, Stichworte sind die Kindergrundsicherung und das Bürgergeld. Der Ukraine-Krieg wird zudem noch viel mehr Geld aus Deutschland erfordern als bisher. Der FDPVorsitzende wird durch einen heißen Herbst gehen müssen, will er die Schuldenbremse 2023 wirklich einhalten.
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