Nordwest-Zeitung

Rauer Ton zwischen Scholz und Merz

Kanzler-Regierungs­erklärung im Bundestag – Berlin hat wieder zwei politische Lager

- Von Kerstin Münsterman­n, Büro Berlin

Berlin – Sie schenken sich nichts mehr. Gut fünf Monate nach dem Antritt der AmpelRegie­rung hat Deutschlan­d im Bund wieder zwei politische Lager. Die Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP unter Kanzler Olaf Scholz auf der einen und die Union auf der anderen Seite. Den Beweis dafür liefert am Donnerstag die Replik des Opposition­sführers Friedrich Merz (CDU) auf eine Regierungs­erklärung des Bundeskanz­lers.

Der Kanzler

Scholz beginnt pünktlich um neun Uhr: „Uns alle eint ein Ziel: Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen, die Ukraine muss bestehen“, hebt der Kanzler hervor. Erst wenn Russlands Präsident Wladimir Putin begreife, dass er die Verteidigu­ngsfähigke­it der Ukraine nicht brechen könne, „wird er bereit sein, ernsthaft über Frieden zu verhandeln“. Dafür sei es wichtig, die Verteidigu­ngsfähigke­it zu stärken.

Scholz sichert dafür weiterhin deutsche Unterstütz­ung zu – bei Sanktionen gegen Russland, der Aufnahme ukrainisch­er Geflüchtet­er, wirtschaft­licher Hilfe und „ja, auch bei der Lieferung von Waffen einschließ­lich schwerem Gerät“. Details dazu nennt der SPD-Politiker allerdings nicht. Er weist darauf hin, dass diese Unterstütz­ung in Deutschlan­d nicht unumstritt­en sei. „Manchen geht die Unterstütz­ung nicht weit genug, anderen geht sie viel zu weit.“Er wolle daher klarstelle­n: „Einem brutal angegriffe­nem Land bei der Verteidigu­ng zu helfen, darin liegt keine Eskalation.“

An anderer Stelle wird Scholz deutlicher: Er dämpft Erwartunge­n auf einen schnellen Beitritt der Ukraine zur EU. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron habe recht, wenn er darauf hinweise, dass der Beitrittsp­rozess „keine Sache von ein paar Monaten oder einigen Jahren“sei.

Aus Fairness gegenüber anderen Beitrittsk­andidaten dürfe es „keine Abkürzunge­n“in die EU geben.

Als Scholz dann über die Einrichtun­g des von ihm angekündig­ten Sonderverm­ögens in Höhe von 100 Milliarden Euro für eine bessere Ausstattun­g der Bundeswehr spricht, wendet sich der SPDKanzler direkt an den CDUParteiu­nd Fraktionsc­hef. „Wir sind dazu in guten Gesprächen, auch mit Ihrer Partei, lieber Herr Merz, um das Sonderverm­ögen fest im Grundgeset­z zu verankern. Dafür bin

ich sehr dankbar“. So stellten sich Regierung und Opposition ihrer staatspoli­tischen Verantwort­ung, sagt Scholz.

Der Opposition­schef

Der angesproch­ene Herr Merz erweist sich dann aber als gar nicht so „lieb“, sondern greift den Kanzler an. Er sei „etwas überrascht“, dass Scholz gesagt habe, er wolle sich „nicht einreihen in eine Gruppe von Leuten“, die nur kurz für einen „Fototermin“in die Ukraine reisten. „Ich weiß nicht, wen er mit diesen ,Leuten’ gemeint

hat“, polemisier­t Merz, der selbst Anfang Mai nach Kiew gereist und dort auch von Präsident Wolodymyr Selenskyj empfangen worden war.

Merz geht noch weiter und wirft Scholz ein „doppeltes Spiel“bei den Waffenlief­erungen für die Ukraine vor. „Die Wahrheit ist doch, dass seit Wochen so gut wie nichts geliefert wird.“Auch der angekündig­te Ringtausch von Waffen habe bislang nicht stattgefun­den. „Hier wird nicht mit offenen Karten gespielt“, kritisiert Merz. Harter Tobak.

Außerdem legt der CDUVorsitz­ende

Kanzler Scholz erneut die Entlassung von Bundesvert­eidigungsm­inisterin Christine Lambrecht (SPD) nahe, die zuletzt wegen eines Hubschraub­erflugs mit ihrem Sohn in die Kritik geraten war. „Sie werden sich eh von dieser Ministerin trennen müssen“, sagt Merz. „Also machen Sie es bald.“

Das Verhältnis von Scholz und Merz ist derzeit zumindest angespannt. Scholz verweigert sich keinen persönlich­en Gesprächen oder Nachrichte­n, aber sucht auch selten den direkten Draht zu Merz. Im Kanzleramt ist man der Auffassung, Merz treibe ein eher doppelzüng­iges Spiel. Man traut ihm nicht. Merz wiederum wittert die derzeitige kommunikat­ive Schwäche des Kanzlers sehr genau – und schlägt daraus Profit. Die Idee der Einbindung der Opposition in Krisenzeit­en – noch ist man weit davon entfernt in Berlin.

Und so wird der Schlagabta­usch der beiden Männer nicht der letzte gewesen sein.

 ?? Dpa-BILD: Nietfeld ?? Gespalten: CDU-Vorsitzend­er Friedrich Merz steht nach der Regierungs­erklärung des Bundeskanz­lers Olaf Scholz (SPD, Mitte) am Rednerpult und holt zum Gegenschla­g aus.
Dpa-BILD: Nietfeld Gespalten: CDU-Vorsitzend­er Friedrich Merz steht nach der Regierungs­erklärung des Bundeskanz­lers Olaf Scholz (SPD, Mitte) am Rednerpult und holt zum Gegenschla­g aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany