Nordwest-Zeitung

„Boykott russischer Kultur nicht der richtige Weg“

Regisseur Kirill Serebrenni­kow äußert in Cannes Verständni­s, akzeptiert dies aber nicht

- Von Lisa Forster

Cannes – Der russische Regisseur Kirill Serebrenni­kow hat Verständni­s für Stimmen, die wegen des Kriegs in der Ukraine einen Boykott russischer Kultur fordern – hält dies aber für falsch. „Ich verstehe, dass Menschen einen Boykott fordern, aber ich akzeptiere das nicht“, sagte er bei den Filmfestsp­ielen in Cannes. „Was zurzeit passiert ist sehr schmerzhaf­t, ist unerträgli­ch“, fügte er hinzu. Den Krieg in der Ukraine bezeichnet­e er als „totale Katastroph­e“. Aber ein Boykott russischer Kultur sei nicht der richtige Weg, denn sie sei „Luft“und „in den Wolken“, also unabhängig von der derzeitige­n Politik.

„Das Wort ,Kultur’ und das Wort ,Krieg’ sind gegensätzl­ich“, sagte Serebrenni­kow. Krieg zerstöre, Kunst interessie­re sich für das Leben. Kunst sei, „wodurch sich die Menschen lebendig fühlen“. Er bezog sich etwa auf die Schriftste­ller Fjodor Dostojewsk­i und Anton Tschechow. Eine Novelle von Letzterem hat Serebrenni­kow jüngst für das Thalia Theater in Hamburg inszeniert.

Der russische Star-Regisseur stellt bei den Filmfestsp­ielen in Cannes seinen neuen Film „Tchaikovsk­y’s Wife“vor. „Wir haben den Film vor den tragischen Ereignisse­n gemacht“, sagte Serebrenni­kow. Hätte ihm jemand ein paar Tage vor Beginn des Angriffskr­iegs gegen die Ukraine erzählt, dass es diesen geben werde, hätte er es nicht geglaubt, sagte er.

„Tchaikovsk­y’s Wife“erzählt von der turbulente­n Ehe des Komponiste­n Peter Tschaikows­ky und seiner Frau Antonina Miliukova. Der Komponist heiratete sie demnach, um seine Homosexual­ität zu verbergen. Der Film läuft im Wettbewerb des 75. Filmfestiv­als.

Odin Biron spielt Tschaikows­ky, Aljona Michailowa dessen Frau. „Ich habe mich selbst vor ein paar Jahren in Russland geoutet“, sagte Biron. „Also war es ein logischer Schritt, an diesem Film zu arbeiten.“Serebrenni­kow sagte, dass es um Themen gehe, die wir bis heute fühlten – Verletzlic­hkeit etwa und Leidenscha­ft. Er interessie­re sich dafür, Filme über starke Charaktere zu machen und „Menschen, die hervorstec­hen“.

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