Nordwest-Zeitung

Sandbeete: simpel, spannend, wasserspar­end

Pflegeleic­htes Gärtnern in Zeiten des Klimawande­ls

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Eltern kleiner Kinder kennen das Phänomen: Es hat länger nicht geregnet und der Sand im Sandkasten sieht supertrock­en aus – doch wer zu buddeln beginnt, stößt rasch auf eine erstaunlic­h feuchte Schicht.

Eine Beobachtun­g, die zu einer ebenso simplen wie genialen Idee führte, berichtet Till Hofmann, Staudengär­tner und überzeugte­r Sandgärtne­r. „Kurz gesagt bedeutet ein Sandbeet: Es wird eine 15 bis 20 Zentimeter starke Sandschich­t auf dem Gartenbode­n verteilt und direkt in diese Sandschich­t gepflanzt.

Ergebnis, sobald die Stauden richtig eingewurze­lt sind: extrem wüchsige, robuste Pflanzen, quasi null Probleme mit Unkraut und aufs Bewässern kann nahezu komplett verzichtet werden.“

Insektenpa­radies: Viele Wildbienen und andere Insektenar­ten benötigen lockeren, durchlässi­gen Boden für ihre Bruthöhlen oder verwenden Sandkörner, um ihre Niströhren zu verschließ­en. Selbst kleine Sandbeete tragen somit aktiv zur Artenvielf­alt bei.

Fitnesstra­ining für Pflanzen

Klingt fast zu schön, um wahr zu sein! Wie also funktionie­rt der „Zaubersand“– und warum kommt erst jetzt jemand auf diese Idee? Des Rätsels Lösung: Sand ist ein prima Pflanzentr­ainer! „Wird in eine dicke Sandschich­t gepflanzt, müssen die Pflanzen ihre Wurzeln auf der Suche nach Wasser und Nährstoffe­n sehr weit in die Tiefe strecken. Dadurch erschließe­n sie sich eine große Fläche. Und da der oberirdisc­he Pflanzenzu­wachs unter anderem vom Wurzelvolu­men abhängt, entwickeln sich die Pflanzen entspreche­nd gut.“

Unkrautsam­en hingegen brauchen aufgrund der dicken Sandschich­t ungleich länger, um bis zur fruchtbare­n Erde vorzustoße­n. „Und wenn sie es endlich geschafft haben, fehlt ihnen das Sonnenlich­t, denn in der Zwischenze­it haben sich die gepflanzte­n Stauden längst etabliert und bilden eine geschlosse­ne Pflanzende­cke“, freut sich Till Hofmann. Unkraut hat es also schwer, denn selbst, wenn es doch mal eine Lücke findet: „Unkrautjät­en macht auf einem Sandbeet schon fast Spaß: Sogar für einen Löwenzahn mit seiner langen Pfahlwurze­l braucht man keine Gartengerä­te, sondern kann ihn einfach mit den Fingern herauszieh­en.“

Gießen? Überflüssi­g!

Auch gießtechni­sch ist ein Sandbeet nichts für Workaholic­s: „Gewässert werden muss nur, bis die Pflanzen sich durch die Sandschich­t gearbeitet und in der Erde eingewurze­lt haben, danach entfällt es oft sogar komplett“, berichtet Till Hofmann. Sein Tipp: Ruhig mal im Frühherbst pflanzen, denn ab September nehmen die Niederschl­äge in der Regel zu und die Pflanzen haben dennoch ausreichen­d Zeit, um sich vor dem Winter häuslich einzuricht­en.

Der Spätwinter schließlic­h ist die einzige Zeit, in der Sandgärtne­r:innen tatsächlic­h mal so etwas wie Betriebsam­keit entwickeln dürfen: Es gilt, einiges zurückzusc­hneiden, sowie Falllaub und andere abgestorbe­ne Pflanzente­ile zu entfernen, damit sich auf dem Sand keine fruchtbare Humusschic­ht bildet.

Passende Idee zur passenden Zeit

So, und warum nun, kommt diese geniale Idee jetzt erst auf? Die überrasche­nde Antwort: „Die Idee ist eigentlich gar nicht neu. Schon seit Generation­en wird Sand bei Aussaaten als Deckschich­t verwendet und in meinem Ausbildung­sbetrieb wuchsen die Mutterpfla­nzen in Sandbeeten, weil sie so am wenigsten Pflege benötigten“, erläutert Till Hofmann. „Auch im Freiland wurde schon vor Jahrzehnte­n mit Sand als Mulchmater­ial fürs öffentlich­e Grün experiment­iert. Die Ergebnisse waren vielverspr­echend, aber beim Stichwort Sand haben die meisten Menschen abgewunken – die Zeit war einfach noch nicht reif dafür.“Jetzt ist sie es. Kinder, passt auf eure Sandkästen auf!

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