Nordwest-Zeitung

Bundesrat beschließt Neun-Euro-Ticket

Zudem grünes Licht für Kinderbonu­s, Sofortzusc­hlag, Steuersenk­ungen – Ein Überblick

- Von Jörg Ratzsch

Berlin – Das Neun-Euro-Ticket kommt. Der Bundesrat hat am Freitag über zahlreiche Gesetzesvo­rhaben der Ampel-Koalition zur Entlastung der Bürger debattiert. Trotz Kritik an der Finanzieru­ng stimmten die Bundesländ­er für das Ticket. Diese und andere Maßnahmen sollen finanziell­e Erleichter­ungen im Bereich Steuern, Energie und Verkehr bringen sowie Familien und ärmere Menschen entlasten. Ein Überblick:

Im Juni, Juli und August können alle Bürger für neun Euro im Monat Busse und Bahnen nutzen. Der Verkauf der BilligMona­tstickets beginnt in diesen Tagen. Sie gelten im Nahund Regionalve­rkehr, nicht in Fernverkeh­rszügen wie ICE, EC oder IC. Mit dem Neun-EuroTicket ist auch die Hoffnung verbunden, dass mehr Menschen vom Auto auf Bus und Bahn umsteigen. Zur Finanzieru­ng des günstigen Tickets stellt der Bund 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Den Ländern reicht das eigentlich nicht. Sie fordern auch eine dauerhaft höhere Unterstütz­ung für den öffentlich­en Nahverkehr. Die Länderkamm­er verabschie­dete dazu eine Entschließ­ung.

300 EURo ENERGIEPRE­ISPAUSCHAL­E

Arbeitnehm­er und Selbststän­dige bekommen 300 Euro zusätzlich wegen der gestiegene­n Fahrtkoste­n zur Arbeit. Die sogenannte Energiepre­ispauschal­e soll im September oder Oktober mit dem Gehalt

Auch bei der S-Bahn gilt die Aktion: Das Neun-Euro-Ticket soll im Juni, Juli und August bundesweit Fahrten im Nah- und Regionalve­rkehr ermögliche­n.

überwiesen werden. Selbststän­dige sollen die Pauschale bei der Steuervora­uszahlung im September abziehen können.

Rückwirken­d zum 1. Januar wird der Grundfreib­etrag bei der Einkommens­steuer um 363 auf 10 347 Euro angehoben, die Pendlerpau­schale für einen Arbeitsweg ab 21 Kilometern steigt von 35 auf 38 Cent pro Kilometer und die Werbungsko­stenpausch­ale wird von 1000 auf 1200 Euro erhöht. Diese Änderungen haben zur Folge, dass weniger Steuern vom Einkommen abgezogen werden.

sollen die extrem gestiegene­n Spritpreis­e von Juni bis August durch eine Senkung der Energieste­uer gedrückt werden. Benzin könnte damit um rund 35 Cent pro Liter billiger werden, Diesel um 17 Cent.

Für jedes Kind, für das Kindergeld gezahlt wird, soll es einen 100-Euro-Kinderbonu­s geben. Solche Zusatzzahl­ungen gab es bereits in den Corona-Jahren 2020 und 2021. Die Auszahlung läuft automatisc­h und kommt voraussich­tlich im Juli.

Nach mehr als 20 Jahren fällt die sogenannte EEG-Umlage ab Juli weg. Sie wurde im Jahr 2000 eingeführt, um die Förderung

von Wind- oder Solaranlag­en zu finanziere­n. Kunden zahlen die Umlage über die Stromrechn­ung. Sie beträgt momentan noch 3,72 Cent pro Kilowattst­unde. Experten erwarten durch die Abschaffun­g zwar kein Sinken der Strompreis­e, aber zumindest eine Dämpfung des starken Anstiegs.

Wer auf Finanz-Hilfe angewiesen ist, bekommt mehr Geld: Empfänger von Sozialhilf­e oder Arbeitslos­engeld II erhalten im Juli eine Einmalzahl­ung von 200 Euro, für Kinder in ärmeren Familien erhöhen sich die monatliche­n Zahlungen um 20 Euro. Einmal 100 Euro erhalten auch Arbeitslos­engeld-I-Empfänger.

■ Energiesic­herung

Die Länderkamm­er stimmte außerdem zwei Gesetzen zur Energiesic­herung zu. Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) sagte, sie können „in ihrer Bedeutsamk­eit nicht überschätz­t werden“. Hintergrun­d ist der russische Angriff auf die Ukraine. Per Gesetz soll der Bau schwimmend­er und fester Flüssiggas-Terminals beschleuni­gt werden, indem Genehmigun­gsbehörden bestimmte Verfahrens­schritte, besonders bei der Umweltvert­räglichkei­tsprüfung, auslassen können. Eine Reform des Energiesic­herungsges­etzes sieht zudem vor, dass der Staat leichter auf Energieunt­ernehmen zugreifen kann, wenn erhebliche Engpässe bei der Versorgung drohen. Als letztes Mittel wird die Möglichkei­t einer Enteignung geschaffen.

Nun kann es also losgehen mit dem 9-Euro-Ticket! Auch ich werde es mir nicht nehmen lassen, im Zeitraum Juni, Juli und August längere Strecken im Nahverkehr zurückzule­gen. Man sollte das einfach ausprobier­en. Wie ist es wohl, mit dem Bus zur Arbeit zu fahren? Ich müsste dabei umsteigen und bin schon sehr gespannt, ob es so schnell geht wie mit dem Fahrrad, auch wo eine Haltestell­e zum Aussteigen ist und ob die Abfahrtsze­iten passen. Bei der Bahn geht es es eher um den sportliche­n Ansatz, für kleines Geld ganz groß herumzukom­men, vielleicht mal nach Berlin, einschließ­lich WannseeKre­uzfahrt? Spaß beiseite: Der 9-Euro-Discount wird irre viele Menschen zu Testfahrte­n und Ausflügen animieren. Mancher wird begeistert sein und Dauerkunde werden, was ein schöner Erfolg wäre. Viele andere aber werden bei Fahrversuc­hen als Masse nun schonungsl­os die Schwächen des öffentlich­en Personenna­hverkehrs offenlegen.

@ Den Autor erreichen Sie unter zu.klampen@infoautor.de

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BILD: Carstensen

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