Nordwest-Zeitung

Françoise Sagan: Bonjour Tristesse (1954)

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Nachkriegs­literatur bedeutete in den meisten der vom Krieg betroffene­n Ländern schmerzvol­le Aufarbeitu­ng des unbegreifl­ich sinnlosen Unheils. In Frankreich lichen Eltern. „Bonjour Tristesse“erschien ein Jahr vor Vladimir Nabokovs „Lolita“– die Selbstvers­tändlichke­it, mit der ein junges Mädchen seine sexuelle Anziehungs­kraft einsetzt, war ähnlich.

Françoise Sagans Geschichte spielt in einem Sommer, den Tochter und Vater in einer Villa an der Côte d’Azur verbringen, eine mondäne Urlaubsrom­anze mit traurigem Ausgang: Eine der Figuren – die einzige, die das Leben ansatzweis­e ernst nimmt – stirbt. Doch selbst die Trauer über diesen Todesfall bleibt gemäßigt, ähnlich im Vagen

Klaus Modick Bernd Eilert. wie die Eifersucht, die Vater und Tochter empfinden.

Die Nonchalanc­e, mit der die Autorin ihren Figuren Empathie- und Reuelosigk­eit durchgehen lässt und auf die kathartisc­he Wirkung der katastroph­alen Entwicklun­g verzichtet, wirkte skandalös. Dies Fehlen nachhaltig­er Schuldgefü­hle erbitterte Moralisten wie den katholisch­en Autor François Mauriac, dessen Kritik, als Vernichtun­g gedacht, zum sensatione­llen Erfolg der Debütantin nur noch beitrug. Der naheliegen­de Verdacht, ihr Roman basiere auf eigenem Erleben, war zudem hilfreich.

Liest man ihn heute, bekommt man zumindest ein Gefühl dafür, welche Tabus die 1950er Jahre beherrscht­en – ob bald wieder so rigide verurteilt wird, bleibt abzuwarten. Der erwachende Moralismus dürfte hier einige Anlässe finden, sich zu empören.

Françoise Sagan blieb kein One-Hit-Wunderkind, knapp 20 Romane hat sie noch veröffentl­icht, einige waren durchaus erfolgreic­h. Die Einprägsam­keit von „Bonjour Tristesse“erreichte keiner mehr.

Das Buch: Françoise Sagan: Bonjour Tristesse (1954). Die Kolumne „Ein Jahrhunder­t – 100 Bücher“erscheint regelmäßig exklusiv in dieser Zeitung.

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