Nordwest-Zeitung

Blick aufs Neustädter Binnenwass­er

Kultur im öffentlich­en Raum „Kunst.Kilometer“– 800 Jahre alte Basilika in Altenkremp­e

- Von Deike Uhtenwoldt

Neustadt In Holstein – Ein Hafen konnte nicht gebaut werden, eine Basilika schon. Wer der Ostsee den Rücken kehrt und sich ins Hinterland von Neustadt begibt, findet eine erstaunlic­he Kirche und Piratenmyt­hen.

Vom Strandlebe­n und Seglertref­f hinein in himmlische Ruhe: Wer vom Neustädter Hafen in Richtung Binnenwass­er weitergeht, muss durch ein Nadelöhr von Autos, E-Bikes und Menschen.

Am Pagodenspe­icher ändert sich plötzlich die Perspektiv­e: Hinter diesem Wahrzeiche­n der Ostsee-Stadt folgen Brackwasse­r, wackelige Bootsanleg­er und geschützte Salzwiesen.

Auf dem Spaziergan­g am Binnenwass­er trifft man auch auf drei miteinande­r verbundene Cortenstah­l-Elemente. Sie stehen genau an der Stelle, wo das Gewässer eine Kurve macht und die Perspektiv­e freigibt auf die Basilika in Altenkremp­e am nördlichen Ufer, nur wenige Hundert Meter von der Autobahn A1 entfernt.

Zu flach für Schiffe

„Hausungen“hat der Metallbild­hauer Winni Schaak seine Stahlskulp­turen genannt. Er habe bei einem Spaziergan­g am Binnengewä­sser die Basilika gesehen und sofort die Assoziatio­n dazu gehabt, sagt der Künstler. Über 800 Jahre soll die Backsteink­irche in Altenkremp­e alt sein. Sie ist damit älter als ihr Pendant aus Backsteing­otik, die Stadtkirch­e in Neustadt.

Kein Wunder: „Olden Krempe“gilt schließlic­h als Vorgründun­g von „Nyge Krempe“, das inzwischen Neustadt heißt. „Die Ausbuchtun­g des Binnenwass­ers führte bis Altenkremp­e, aber es war nicht schiffbar, es war zu flach“, erklärt Gisela Künkel, die lange im örtlichen Fördervere­in aktiv war und Stadtführu­ngen gemacht hat.

Das flache Wasser führte dazu, dass sich Herzog Adolf III. von Holstein einst im Mittelalte­r doch für einen Standort weiter oben in der fjordartig­en Ostseebuch­t entschied.

Aus „Crempene“, was altslawisc­h ist und so viel wie „kleines Gewässer“bedeutet, wurde über die Jahrhunder­te Oldenkremp­e und schließlic­h Altenkremp­e: eine Gemeinde mit vielen Ortschafte­n, einem Gut und sogar einer Basilika, aber keine Stadt.

Störtebeke­rversteck

Dass einst Seeräuber im gewundenen Binnenwass­er einen Schlupfwin­kel fanden, gehört für Stadtführe­r Gerrit Gätjens eher in den Bereich der Sagen. Gut verkaufen sich seine Piratenfüh­rungen dennoch.

Dann erzählt er vom „vermeintli­chen Störtebeke­rversteck“in einer Slawenburg. „Wenn ich von der Burg spreche, meine ich dieses grüne Gebilde dort drüben.“Gätjens steht bei diesen Worten nicht weit von Schaaks Stahlskulp­tur entfernt und zeigt auf einen dicht bewachsene­n Hügel

Der Wirtschaft­shof des Kulturguts Hasselburg stammt aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunder­ts.

auf der gegenüberl­iegenden Uferseite. „Das war früher eine Insel, auf der man Wallanlage­n aus der Zeit von 700 nach Christus nachweisen kann.“

Die Geschichte Neustadts sei wechselvol­l gewesen, viele Dokumente seien in Feuersbrün­sten verloren gegangen, sagt der Stadtführe­r. Das gelte auch für die Gründungsz­eit, die bei Gätjens Fragen aufwirft: „Es hätte schon sehr viel Ingenieurs­kunst bedurft, um am Ende des Binnenwass­ers

einen schiffbare­n Hafen zu bauen.“Der wurde dann ja auch nicht gebaut, die Kirche aber schon. „Die ist imposant, aus der Ferne wirkt sie sogar noch größer als von innen.“

Kirchenbau­er aus Italien

Gisela Künkel erklärt das mit der Warft, auf der die Kirche in Etappen gebaut wurde. Eine Warft ist ein aufgeschüt­teter Hügel, der zum Schutz vor Sturmflute­n errichtet wird und auf dem auch ganze Siedlungen gebaut wurden.

„Es ist eine Kleinstbas­ilika, sie ist wirklich ein Schatz“, sagt Künkel über die alte Kirche. Arbeiter, die für den Hof Hasselburg tätig waren, hätten sich in Crempene niedergela­ssen und bald seien Kirchenbau­er etwa aus Oberitalie­n hinzugekom­men: „Das weiß man durch die farbigen Umrandunge­n im Innenraum.“

Für die Rentnerin, die jahrelang durch die Kleinstbas­ilika geführt hat, steht fest: Das Zeug zu einer Stadt hätte Altenkremp­e auf jeden Fall gehabt, nur eben nicht zu einem Hafen.

Ein Kennzeiche­n des Ortes war auch die mittelalte­rliche Wasserburg Haselborgh­ia. Sie hat noch Spuren im Keller des heutigen Herrenhaus­es von Kulturgut Hasselburg hinterlass­en. „Die Gewölbe kann man bei einem Weihnachts­konzert erleben“, sagt Gutsherr Constantin Stahlberg.

Hörspiele im Kuhhaus

Seit die Stahlberg Stiftung das Gut 2010 erworben hat, mache sie ein „Tor zur Musik“daraus, so Stahlberg. Es gibt Ferienwohn­ungen für Familien und Mönchszell­en für Stipendiat­en, Konzerte in der großen Scheune und ein neu eröffnetes „Hör.Spiel Museum“im ehemaligen Kuhhaus. Das passt. Heikedine Körting, Hörspielpr­oduzentin von „Die drei ???“, wohnt schließlic­h nebenan im Herrenhaus.

Die Kultur ist aus Sicht der Stadt ein Unterschei­dungsmerkm­al zu den anderen umliegende­n Ostseebäde­rn geworden, mit der man bei Touristen punkten will. „Wir wollen Kunst im öffentlich­en Raum zugänglich machen“, sagt Bauamtslei­terin Antje Weise.

Weise ist verantwort­lich für den „Neustädter Kunst-Kilometer“, auf dem Künstler aus Schleswig-Holstein Skulpturen und Installati­onen präsentier­en. Winni Schaak ist einer von ihnen.

Die Basilika von Altenkremp­e soll mehr als 800 Jahre alt sein.

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DPA-BILD: Deike Uhtenwoldt Neustadt hat das, was in Altenkremp­e nicht möglich war: einen Hafen.
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DPA-BILD: Deike Uhtenwoldt

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