Wie die Schulzeit unsere Arbeit prägt
Nicht immer muss das negativ sein – Buch-Autorin rät: Lass die Schulzeit hinter Dir
Sarah Ordonez wurde von zur „13. Erfurter Stadtgoldschmiedin“ernannt. Eine Jury wählte die Bewerbung der 1989 in Mexiko geborenen Künstlerin aus 14 internationalen Bewerbungen von Schmuckdesignerinnen und -designern aus. In den städtischen Künstlerwerkstätten, in denen sie bis Ende Juni tätig wird, erhält sie zudem eine Gästewohnung. Der Austausch mit Erfurt, seiner Stadtgesellschaft und anderen Kreativen soll in ihren Arbeitsprozess einfließen. Um daran teilzuhaben, wird die Öffentlichkeit regelmäßig über ihre Arbeit informiert. Am Ende gibt es eine Ausstellung.
Hannover/Hamburg – Hand aufs Herz: An was denken Sie, wenn Sie an Ihre Schulzeit denken? An tolle Noten und verständnisvolle Lehrkräfte? Oder eher an peinliche Momente, bissige Kommentare oder einsame Pausen auf dem Schulhof?
„Viele von uns haben solche Erfahrungen gemacht“, sagt die Sozialpsychologin Mira Mühlenhof aus Hannover. In ihrem Buch („Lass die Schatten der Schulzeit hinter dir“) will sie zeigen, wie sich das Leben verbessert, wenn man sein „Schultrauma“erkennt und loslässt.
Grund für akute Probleme
Bei manchen reichen die Folgen bestimmter Erlebnisse aus der Schulzeit oft unbewusst bis ins Erwachsenenalter. „Sie können Ursache für Blockaden oder Probleme wie Lampenfieber, Präsentationsangst oder Minderwertigkeitsgefühle sein“, sagt Mühlenhof.
Manchmal genügt dafür schon eine einzige Situation. Etwa der Klassiker, dass man an die Tafel zitiert wurde, einen Blackout hatte und ausgelacht wurde. „Solch eine Situation ist dann stark mit unguten Gefühlen belegt und wird quasi im Körper abgespeichert.“
Die gute Nachricht: Es besteht die Chance, etwas dagegen zu tun. „Ein erster
Schritt ist die Reflexion“, sagt Mira Mühlenhof. Also innezuhalten und selbst zu überlegen, worauf aktuelle Probleme zurückzuführen sind.
Einige Tipps
In ihrem Buch gibt sie zudem Akut-Tipps: Etwa mit anderen über die Erfahrungen zu reden, Orte und Personen zu meiden, die einem nicht guttun, Routine und Rituale zu entwickeln, die Stärke und Struktur geben. Auch wichtig: die eigenen Grenzen erkennen und Hilfe annehmen.
Dabei muss es jedoch nicht immer ein Gefühl von Hilflosigkeit, Scham oder Angst sein, das Auswirkungen bis ins Berufsleben hat. „Das eine sind die negativen Bewertungen, die unser Denken und Verhalten steuern“, sagt die Hamburger Karriereberaterin und Arbeitspsychologin Ragnhild Struss. Das andere seien bestimmte Talente, Fähigkeiten und Interessen, die man als Kind hatte – die aber in Vergessenheit geraten sind. Soziale Fähigkeiten zum Beispiel oder Spontaneität.
„Wer in der Schule erfahren hat, dass es immer ‘richtig’ und ‘falsch’ gibt und gerügt wurde, wenn eine Antwort nicht der Vorstellung der Lehrkraft entsprochen hat, wird sich abgewöhnen, spontan und frei zu äußern, was in ihm oder ihr vorgeht“, sagt Struss. Vielleicht habe man deshalb auch als Erwachsener im Job nicht den Mut, im Brainstorming Ideen vorzubringen, die Initiative zu ergreifen oder aktiv die Meinung zu vertreten.
Ressourcen heben
Auch allgemeine Vorurteile und persönliche Zuschreibungen können das Selbstbild prägen und die weitere Entwicklung beeinflussen. Wer „schon immer gut in Mathe“war, muss natürlich Ingenieur werden, und ein „Arztkind“natürlich ebenfalls Ärztin.
„Solche frühen Erfahrungen können dazu führen, dass die Zuschreibungen gar nicht mehr hinterfragt werden, sondern man annimmt, was einem übergestülpt wurde“, sagt die Arbeitspsychologin.
So verlerne man, auf sich selbst zu hören und der eigenen Stimme zu vertrauen.
In ihren Beratungen versucht Ragnhild Struss, vergessene Ressourcen zu heben und die Klienten zu motivieren, sich an vergangene Stärken und Potenziale zu erinnern. „Man muss sich klarmachen, dass man heute neue Verhaltensmuster ausprobieren kann, weil man erwachsen ist.“
Die Beraterin empfiehlt, den Blick auf das zu lenken, was positiv war: „Es gibt immer den einen Lehrer, die eine Lehrerin, die etwas in einem gesehen hat. Die als Bezugsperson das Potenzial und die Persönlichkeit erkannt, gefördert und ermutigt hat.“