Einsatz für „geringste Brüder“
Pastor Sibo Kunstreich aus Schönemoor
In der evangelischen Kirchengemeinde Schönemoor in Ganderkesee wirkte 21 Jahre lang Pastor Sibo Kunstreich (* 8. April 1900, † 25. Juli 1979). Den Weg zur Theologie fand der gebürtige Ostfriese verhältnismäßig spät. Das ergab sich daraus, dass er in den 1920er-Jahren wegen eines Augenleidens nicht weiter studieren konnte. Hinzu kamen wohl auch finanzielle Gründe. Es kamen Jahre, in denen er verschiedene Tätigkeiten aufnahm, vor allem in reformpädagogischen Heimen in Thüringen. Erst Anfang der Dreißigerjahre bekam er das Gesundheitszeugnis, das ihm ein Weiterstudium erlaubte.
Sein Studium begann 1932 in Bethel, wo auch das Hebraicum nachgeholt wurde. Er kam dann als Vikar nach Neuenkirchen. Nach seiner ersten Pfarrstelle in Varel (1937 bis 1945) führte sein Weg nach Celle und Oberhausen, bis er 1953 Krankenhauspfarrer in Oldenburg wurde. 1955 kam er in die Kirchengemeinde Schönemoor.
Seine Ehefrau Luise, die er 1942 in Berlin heiratete, lernte er in Hamburg kennen. Von ihr sagte er einmal: „Luise ist die Basis unseres ganzen Lebens.“Und ein Besucher betonte einmal: „Vor Ihrer Frau zieht die ganze Gemeinde den Hut.“
Stets war für Sibo Kunstreich das Pfarramt in der Gemeinde die entscheidende Basis für sein Wirken nach dem „Worte Gottes, wie es in der wunderbaren Heiligen Schrift“dargelegt ist. Dem Schönemoorer Pastor kam es vorrangig auf die Übereinfugium
Pastor Sibo Kunstreich am Altar der St.-Katharinen-Kirche in Schönemoor.
stimmung der Aussage der Heiligen Schrift mit den Werken an. Sibo Kunstreich wörtlich: „Sogenannte Sozialarbeit ist notwendig, aber sinnlos“.
Einsatz für die Blumenkinder und 68er
Sein Einsatz galt den „geringsten Brüdern“, von denen die Bibel spricht. Die Arbeit in seiner Kirchengemeinde reichte ihm nicht. Er wollte mehr. Er kümmerte sich um die aufsässige, oft ziellos wandernde
Generation der „Blumenkinder“und der „68er“. Er zog durch Jugendheime, Kneipen und Spelunken, besuchte Jugendgefängnisse und Strafanstalten, predigte ihnen dort Gottes Wort und versuchte, sie in geordnete Bahnen zu bringen.
Ebenso bot er ihnen an, sie für einige Tage in seiner Pastorei aufzunehmen. Kein Wunder, dass das Schönemoorer Pfarrhaus dank des Wirkens und der Strahlkraft von Sibo Kunstreich zu einem Refür viele Menschen wurde. Seine Art Menschen zu helfen, sprach sich bei vielen herum, deren Leben verpfuscht war.
Und so ging der Geheimtipp in den Bremer Gefängniszellen von Mund zu Mund: „Wenn du mal nicht weiter weißt, geh zu Old Nick, der verpfeift dich nicht!“Wenn jemand in gewissen düsteren Lokalen an der Theke seinem Nachbarn trübselig gestand, dass ihm die Welt bescheiden und er im Besonderen am Ende war, konnte er gewiss sein, dass einer ihm auf die Schulter klopfte und sagte: „Geh mal nach Schönemoor und spreche mit Old Nick!“
Selbst in den ObdachlosenAsylen rund um Bremen und Bremerhaven hieß es oft: „Was, haste kein Geld? Weißte was, schlag dich durch bis Schönemoor bei Delmenhorst, da bist du aufgehoben!“Wenn schließlich einer ahnungslos fragte: „Wo liegt denn Schönemoor? Wer ist Old Nick“? Meist bekam er dann zur Antwort: „Was? Den kennst du nicht, den Pastor Kunstreich in Schönemoor bei Delmenhorst? Den kennt doch jeder!“Und vielleicht fügte der andere vorsorglich noch hinzu: „Übrigens – keine Angst von wegen Pastor und so! Da kriegste keine frommen Sprüche vorgebetet. Du – der ist wirklich en Mensch!“
Das Pfarrhaus stand jedem offen
Und in der Tat: Der riesenhafte Landpastor mit der leisen, heiseren Stimme, und dem bürgerlichen Namen Sibo Kunstreich, hielt nicht viel von